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Niemand ist fehlerfrei. Manchmal liegen die Fehler schon eine Weile zurück. Je schärfer aber das öffentliche Profil (oder sollte man sagen: die Selbst-Inszenierung) als makelloser, erfolgreicher Leistungsträger, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann jemand diese Fehler aufdeckt und öffentlich macht. Reputation beinhaltet stets das Risiko des Reputationsverlustes – für Politiker ist es das Berufsrisiko schlechthin. Damit könnte man gut leben, wenn man sich auf Krisenfälle professionell vorbereitet und sich konsequent im öffentlichen Auftritt an den Grundsätzen des Glaubwürdigkeitsprinzips orientiert.

Viele Politiker verlieren ihre Glaubwürdigkeit nicht über das eigentliche Fehlverhalten, sondern über ihren Umgang mit dieser Situation. Wenn es im Problemfall (scheinbar) die Wahl gibt zwischen einem leichten, aber ethisch nicht korrekten Lösungsweg und einem unbequemeren, dafür den eigenen Grundsätzen entsprechenden Weg, wählen viele die erste Möglichkeit. Auch Verteidigungsminister zu Guttenberg hat im aktuellen Fall der Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit ohne Not diesen Weg gewählt.

Was hat er falsch gemacht?

  1. Ehrlichkeit ist der wichtigste Faktor im Glaubwürdigkeitsprinzip. Menschen sind zwar Unehrlichkeit und Täuschung im Alltag gewöhnt, legen an politische und gesellschaftliche Leitbilder aber andere Kriterien an. Da die Mission eines Politikers wesentlich darin liegt, Zusammenhänge zu deuten, Orientierung zu stiften und Menschen für politische Ziele und Anliegen zu gewinnen, gehört Ehrlichkeit zu seinem Leistungsversprechen. Gefühlte Täuschung führt zu Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust. Insofern war die Vehemenz, mit der der Minister die Vorwürfe von sich wies und bagatellisierte, seiner Reputation abträglich. Seine Strategie, das Versäumnis umzudeuten als Lapsus im Fußnotenbereich, musste misslingen, denn dieses Argument ist in mehrfacher Hinsicht völlig unwesentlich. Der Verweis auf schwierige Rahmenbedingungen (Familie und umfangreiche politische Mandate) war ebenfalls nicht hilfreich. Für Doktorarbeiten und Promotionsverfahren gelten schließlich strenge Regeln, die allein die Doktorwürde begründen. Dabei hätte es für Guttenberg durchaus gute Möglichkeiten gebeben, die Krise frühzeitig zu begrenzen. Er hätte Verständnis und Betroffenheit signalisieren können. Er hätte aktiv darstellen können, welche Ziele und welchen Anspruch er mit seiner Doktorarbeit verband und welche Bedeutung die Einbindung fremder Quellen aus seiner Sicht hat. Das hätte für Verständnis und Klarheit gesorgt. In solcher Situation hilft nur Initiative und der ehrliche, offene Dialog. Der vermeidbare Hinweis auf die Bedeutung seiner aktuellen Aufgaben als Minister war vielleicht der größte Fehler und Täuschungsversuch. Das Ministeramt einerseits und der Respekt vor der universitären Würde und dem gesellschaftlichen Wert von Promotionsverfahren andererseits sind zwei völlig unterschiedliche, nicht in der Bedeutung aufrechenbare Angelegenheiten.
  2. Transparenz ist ein weiterer Aspekte des Glaubwürdigkeitsprinzips. Auch er hat wegen der Deutungshoheit, die Politiker für sich beanspruchen, eine große Bedeutung. Die Strategie, mit einem Kurzstatement vor handverlesenen Journalisten ohne Frage- und Dialogmöglichkeit das Thema vom Tisch zu bekommen (und die Insitution der Bundespressekonferenz zu düpieren), ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und führt zu Glaubwürdigkeitsverlust. Übrigens hat der Staat eine im Presserecht verankerte besondere Aufklärungspflicht gegenüber den Medien (siehe dazu Harald Plamper im Buch „Das Glaubwürdigkeitsprinzip“, S.235).
  3. Auch Mut und Souveränität sind glaubwürdigkeitsrelevant. Mut bedeutet, im Interesse der eigenen Grundsätze einen möglichen Nachteil (z.B. Imageverlust) in Kauf  zu nehmen. Ob Mut möglicherweise in besonderem Maß zum Anforderungsprofil eines Verteidigungsministers gehört, wäre außerdem zu hinterfragen. Mut ist stets im Konfliktfall gefragt. Hier die Erwartungen der politischen Anhänger an den Minister, Stärke, Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit zu zeigen, dort die Erwartungen der Medien und Öffentlichkeit (sowie der politischen Gegner), ehrlich und transparent mögliche Versäumnisse zuzugeben. Die Brutalität des politischen Geschäfts, insbesondere der oft unredliche Umgang mit politischen Gegnern bei Fehlern, erforderte tatsächlich viel Mut und Augenmaß in solcher Situation.
  4. Respekt. Furchtlosigkeit ist gut. Man sollte darüber aber nicht den Respekt vor Öffentlichkeit und Medien fehlen lassen. Hier muss der Minister Vorbild sein. Das heißt zum Beispiel: Wenn sein mögliches Fehlverhalten in der Vergangenheit jetzt auf der Agenda der Medien steht, kann man es nicht per 90-Sekunden-Statement offiziell von er Agenda nehmen und ankündigen, vorerst keine weiteren Medienstatements zu geben. Der Informations- und Aufklärungsbedarf der Öffentlichkeit bedeutet für den Minister eine Pflicht, der er sich schon aus Respekt vor der Arbeit der Medien und der Mündigkeit der Bürger nicht entziehen kann. Die Lösung seines Problem liegt allein in guter, strategischer Kommunikation.
  5. Professionalität und Werteorientierung sind nicht zu trennen. Ein Zeichen hoher Professionalität ist es, die jeweiligen Stakeholdererwartungen zu kennen und zu berücksichtigen. Glaubwürdigkeit geht nämlich immer dann verloren, wenn die Erwartungen von Zielgruppen und Stakeholdern nicht berücksichtigt bzw. erfüllt werden. Bei Guttenberg gibt es ein Bündel an Erwartungen, die er im Umgang mit  den Plagiatsvorwürfen sorgfältig hätte bedenken sollen. Sie leiten sich aus seiner Rolle als Bundesminister und Verantwortungsträger, als politischer Hoffnungs- und Sympathieträger und aus dem immer noch vorhandenen Nimbus des Adels als würdevoll und elitär ab (auch bedingt durch seine Inszenzierung). Es wäre nicht schwer gewesen, diese spezifischen Erwartungen im kommunikativen Auftritt ernst zu nehmen und zu erfüllen.

Noch ein weiterer Aspekt des Glaubwürdigkeitsprinzips kommt bei Guttenberg zum Tragen. Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Reputation entstehen langfristig durch maßvolles Auftreten. Ein Portion Maßlosigkeit mag zwar kurzfristig mediale Aufmerksamkeit bringen, kann aber die auf längere Sicht Skepsis in der Öffentlichkeit erhöhen und besonders verwundbar machen. Die Gesellschaft hat eine besondere Freude am tiefen Fall ihrer Eliten. Ich bin überzeugt, dass die Kundus-Show der zu Guttenbergs und eine unangemessen starke öffentliche Inszenierung des Ehepaars Guttenberg mit dazu beigetragen hat, seine Reputation zu gefährden und bestimmte Kreise zur Suche nach dem Makel (den man, wie eingangs gesagt, vermutlich bei jedem Menschen findet) besonders motiviert. Dabei muss ich allerdings einwänden, dass es auch in diesem Punkt angesichts der extremen Show- und Entertainmentorientierung unserer Medien nicht immer leicht ist, die goldene Mitte im maßvollen öffentlichen Auftritt zu definieren (ähnlich wie beim früheren österreichischen Finanzminister Grasser).

Fazit

Glaubwürdigkeit entsteht vor allem durch den richtigen Umgang mit eigenen Fehlern. Das Glaubwürdigkeitsprinzip erweist sich gerade in diesem Fall als brauchbare Richtschnur, an der ich jeder Politiker orientieren kann. Für jedes kommunikative Problem gibt es einen Lösungsweg. Wichtig ist, dass die Erwartungen der jeweiligen Stakeholder bewusst sind und erfüllt werden. Dann kann ein persönliches Fehlverhalten in der Vergangenheit die Profilierung als berechenbarer, ehrbarer und „normaler“ Politiker sogar schärfen. Hoffen wir, dass der Minister inzwischen gute Berater hat, die ihm die Mechanismen werteorientierter Kommunikation in der Praxis aufzeigen.