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Kulturelle Veränderungsprozesse gelten noch immer als großes Mysterium. Trotz umfangreicher Literatur und Beratungsangebote tun sich viele Unternehmen schwer mit dem Kulturwandel. Kein anderer Prozess wird so vehement beschworen; doch dann passiert: nichts! Die gewünschte Dynamik bleibt aus. Einen Kulturwandel kann man zwar nicht „verordnen“, aber gut steuern. Doch das erfordert vor allem im Management eine bestimmte Haltung. Erfahrungsgemäß scheitern Wandel und Weiterentwicklung von Unternehmenskulturen nicht am Können, sondern am konsequenten und ernsthaften Vorgehen. Um Organisationen zu einem wirklichen Kulturwandel zu mobilisieren, bedarf es oft zäher Diskussionen und guter Argumente.

Mit diesem Beitrag möchte ich drei wichtige Argumente bzw. Argumentationsfelder erläutern, die den Kulturwandel beflügeln und auf jedes Unternehmen übertragen werden können.

Es geht mir diesmal nicht um einzelne Maßnahmen, sondern um Prioritäten und Einstellungen. Sie haben sich in fast allen kulturverändernden Projekten, die ich in den letzten Jahren betreuen durfte, und in vielen Gesprächen als Knackpunkte erwiesen.

Dabei knüpfe ich an zwei frühere Beiträge an. In dem einen habe ich anhand von fünf Maximen ausgeführt, wie man kulturellen Wandel als strategisches Projekt managt. Im anderen habe ich mit Hilfe des Dekagon-Modells die wichtigsten inhaltlichen/thematischen Dimensionen der Unternehmenskultur beschrieben, also die Spielfelder im Kulturwandel. Mit allen drei Beiträgen zusammen hat man Stoff für notwendige Diskussionen mit all denen, die kulturelle Entwicklungen aktiv vorantreiben können.

Wie unterscheidet sich der Kulturwandel von anderen Veränderungsprozessen?

Prinzipiell funktioniert der Kulturwandel nach den gleichen Regeln wie andere Prozesse im Change Management (siehe hierzu die Checkliste im Beitrag „Nachhaltigkeit im Change Management“). Allerdings sind bei der Umsetzung zusätzlich ein paar Besonderheiten zu berücksichtigen. Zur Mobilisierung der notwendigen Ressourcen sollte man immer wieder auf diese Besonderheiten hinzuweisen:

  1. Besondere unternehmensstrategische Bedeutung:
    Gewöhnlich hat jedes einzelne Veränderungsprojekt eine Auswirkung auf den Unternehmenserfolg und trägt zu verbesserter Wettbewerbsfähigkeit oder allgemein zur Zukunftssicherung des Unternehmens bei. Wenn „normale“ Change-Prozesse misslingen oder auf halbem Weg ins Stocken geraten, kann das zwar den Unternehmens- oder Bereichserfolg beeinträchtigen, das Unternehmen geht aber davon nicht unter. Beim Kulturwandel ist diese Gefahr größer. Er ist die Grundlage dafür, dass im Innern die Zusammenarbeit nach gemeinsamen Denk- und Handlungsmustern auch unter veränderten Rahmenbedingungen gelingt und so die Unternehmensziele erreicht werden. Und nach außen hin trägt er dazu bei, dass das Unternehmen für Kunden und andere Gruppen attraktiv und wertvoll bleibt. Die Kultur spiegelt und ermöglicht die Leistungsfähigkeit der Organisation und muss veränderten Anforderungen (durch Wettbewerb, globale Trends, Kostendruck etc.) gerecht werden.
  2. Bereichsübergreifende Aufgabe:
    Kulturwandel ist eine bereichsübergreifende Herausforderung für das gesamte Unternehmen. Entsprechend breiter ist auch die Verantwortung verteilt. Wenn es um die Kultur geht, sind alle in der Pflicht – insbesondere die Führungskräfte!
  3. Dauerhaft angelegter Prozess:
    „Gewöhnliche“ Change-Prozesse sind zeitlich begrenzt und von Anfang bis Ende überschaubar, kulturelle Veränderungsprozesse sind dagegen nie abgeschlossen, sondern müssen immer wieder mit neuen Impulsen am Leben gehalten und weiterentwickelt werden (in dem Maße wie sich die Anforderungen an das Unternehmen verändern). Das bedeutet vor allem für den CEO und das Top-Management als Vorbilder und Repräsentanten der Unternehmenskultur eine Daueraufgabe. Sie können sich nicht irgendwann zurücklehnen und die Aufgabe als abgeschlossen betrachten. Im Gegenteil.
  4. Besondere Erwartungshaltung und Streben nach Sinn und Erfüllung am Arbeitsplatz:
    In jedem Veränderungsprozess muss man die spezifischen Erwartungen, Ängste und Betroffenheit der Mitarbeiter mit Blick auf die persönlichen Konsequenzen kennen und einbinden. Das bedeutet Aufwand, aber mit guter Kommunikation, die Transparenz und Orientierung schafft, kann man viel bewirken.
    Beim Kulturwandel geht es um andere, noch größere Dimensionen, nämlich um Fragen der Identifikation mit dem Arbeitgeber, um Aspekte, die weit über gemeinsame Denk- und Handlungsmuster hinausgehen, um die Bindung und Loyalität der Mitarbeiter.
    Philosophisch betrachtet geht es im Kulturwandel auch um das Streben nach Sinn, Glück und Erfüllung in der Arbeitswelt. Das sollte man nicht als „abgehoben“ abtun, sondern als einen zentralen Motivations- und Bindungsfaktor von Unternehmen ernst nehmen. Eine Unternehmenskultur, in der die meisten Mitarbeiter „Dienst nach Vorschrift“ machen oder innerlich gekündigt haben (erwiesenermaßen sind das mehr als 80 Prozent aller Mitarbeiter!), behindert die Leistungsfähigkeit extrem. Eine Kultur, die persönlichen Gestaltungsfreiraum, Sinnhaftigkeit und Wertschätzung ermöglicht, macht stark und leistungsfähig. Von der gelungenen Weiterentwicklung der Kultur hängt auch deswegen viel ab.
  5. Innere Kommunikationsfähigkeit besonders auf dem Prüfstand:
    Kommunikation ist der Erfolgsfaktor Nr.1 in Veränderungsprozessen. Aber während einfache Change-Projekte gut kommunizierbar sind, ist ein Kulturwandel wenig „anfassbar“ und bedeutend schwerer zu vermitteln. Wozu und wie man die Kultur verändern will, versteht jeder ein bisschen anders. Organisationen müssen daher im Kulturwandel auf allen Ebenen und in hohem Maße kommunikationsfähig sein. Umgekehrt können sie gerade im Kulturwandel ihre besondere Kommunikationsfähigkeit beweisen.

Kulturwandel ist stets ein ganz spezieller Veränderungsprozess. Deswegen kommt es auch in besonderem Maß auf ein professionelles und dauerhaft aktives Projektmanagement an.

Drei Argumente für die Steuerung kultureller Entwicklungsprozesse

Wie in jedem Projekt braucht man Klarheit in den Fragen: „Was will ich erreichen?“, „Was muss ich wissen?“ und „Was ist wann und wie zu tun?“ Daraus kann man auch für den Kulturwandel Argumente ableiten:

  1. Was will ich erreichen? Jeder Kulturwandel braucht ein Ziel, d.h. eine klare Vorstellung, welche Verhaltens- und Haltungsänderung aufgrund neuer unternehmensstrategischer Anforderungen erreicht werden soll. Ohne Ziel kein Kurs.
  2. Was muss ich wissen? Jeder Kulturwandel erfordert die genaue Kenntnis von Wahrnehmung und Erwartungen der Mitarbeiter und Führungskräfte, aber auch der Kunden und anderer Personengruppen in Bezug auf die Unternehmenskultur.
  3. Was ist wann und wie konkret zu tun? Jeder Kulturwandel erfordert Tempo. Bei kulturellen Weichenstellungen darf man nichts verschleppen. Wenn nach einem starken Startschuss weitere Schritte nicht erfolgen oder nicht erlebbar sind, scheitert der gesamte Prozess und lässt sich auch später kaum noch in Fahrt kommen.

Das dritte Argument ist besonders wichtig, da Zeit stets ein knappes Gut ist.

Was in anderen Projekten selbstverständlich berücksichtigt wird, gerät in kulturellen Belangen erwiesenermaßen leicht aus dem Blick – zum Nachteil von Unternehmen und Mitarbeitern. Schauen wir daher etwas genauer, was diese Argumente in der Praxis konkret bedeuten.

Zu Argument 1: Der Sinn des Kulturwandels ist Verhaltensänderung – mit klarem Ziel (Was will ich erreichen?)

Kulturwandel ist kein „Nice to have“, sondern eine unternehmerische Aufgabe mit klarem Motiv: Er soll die Denk- und Verhaltensmuster im gesamten Unternehmen so verändern, dass neue oder angepasste Ziele und Strategien des Unternehmens optimal unterstützt werden. Was genau man erwartet, welche Verhaltensänderung erreicht werden soll, muss man konkret festlegen. Das ist nicht immer einfach.

Ein Beispiel: Viele Unternehmen wollen schneller werden, z.B. schneller in der Produktentwicklung oder der Kundenbetreuung, und „verordnen“ dazu Agilität als Kulturprinzip. Erwartet wird, dass möglichst die gesamte Organisation agil arbeitet. Das kann aber fatal enden, wenn nicht vorab geklärt wurde, was das konkret für die Arbeit jedes einzelnen Mitarbeiters bzw. jeder Abteilung bedeutet und welches Ziel genau dahinter steht. Agilität ist nämlich keine kulturelle Allzweckwaffe, um Organisationen schneller zu machen, sondern macht nur in ganz bestimmten Kontexten und Projekten überhaupt Sinn (und manchmal eben nicht, Strategien und Konzepte kann man z.B. nicht agil entwickeln). Sollen sich also Teams durchweg auf agiles Arbeiten umstellen oder sollen sie sich lediglich bestimmte Elemente des agilen Vorgehens zu eigen machen, etwa das Prinzip des kontinuierlichen Besserwerdens oder das disziplinierte Befolgen von Kooperationsregeln. Das eine wäre eine methodische Vorgabe mit neuen Arbeitsabläufen, das andere wäre eher ein Impuls für kontinuierliche, kritische Selbstoptimierung.

Meine Empfehlung: Genau prüfen, welche Verhaltensänderung eigentlich im Zuge der Unternehmensstrategie angestrebt wird!

Hierzu einige beispielhafte Fragestellungen:

  • Welche Verhaltensänderung benötigen wir im Unternehmen, um die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und in den neuen Prozessen und Strukturen der digitalen Arbeitswelt optimal zu arbeiten?
  • Welche Verhaltensänderung benötigen wir im Unternehmen, um eine noch stärkere Kundenzentrierung zu erreichen? Und was heißt das für die Kultur? Das ist, zugegeben, eine komplexe Frage. Aber wenn wir sehen, wie weit das klassische Mantra der Kundenzentrierung und reale Erfahrungen von Kunden oft auseinanderliegen, erkennen wir, wie wichtig eine klar formulierte Zielsetzung ist.
  • Noch schwieriger ist es, wenn die Kultur stärker auf Innovation ausgerichtet werden soll. Wie kann ein besonders innovationsaffines oder innovationsförderndes Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften aussehen? Und muss die kulturelle Weiterentwicklung dazu aussehen? Wie werden Mut und Risiko in Einklang gebracht? Welchen Gestaltungsspielraum lässt das Unternehmen zu, im innovativer zu werden? Und gilt das für alle oder nur für einzelne Bereiche? Jeder interessierte Mitarbeiter lässt sich für eine „innovativere“ Unternehmenskultur begeistern. Aber ohne genau zu klären, was man dazu von den Mitarbeitern erwartet und wie man ggf. mit Konflikten umgeht, bleibt der Anspruch hohl und es ändert sich nichts.

Kulturdimensionen berücksichtigen!

Ausgangspunkt des Kulturwandels ist stets ein Veränderungsbedarf. Aber der ergibt sich nicht nur aus Anpassungen der Unternehmensstrategie (etwa weil sich die Marktsituation geändert hat und die Zukunft des Unternehmens bedroht ist), sondern auch aus den Handlungsfeldern und Gestaltungsmöglichkeiten für die Kultur. Ich nenne sie die „Dimensionen der Unternehmenskultur“ und habe sie in ihrer Wechselwirkung im Dekagon-Modell beschrieben. Wenn man die Zielsetzung kultureller Weichenstellungen festlegt, muss man auch diese Kulturdimensionen genau betrachten.

Konkret wäre beispielsweise zu fragen: Welche Veränderungen man erwartet in …

  • der Führungskultur (d.h., wie genau muss sich die Führungskultur ändern, damit neue strategische Ziele erreicht werden?),
  • der Organisationskultur (d.h., wie müssen sich Aufbau der Organisation, Abläufe, Hierarchien und die Infrastruktur insgesamt verändern, um neue Arbeitsformen zur Erreichung der strategischen Ziele zu ermöglichen?),
  • Leistungskultur (d.h., wie formulieren wir unseren Leistungsanspruch gegenüber den Kunden und intern neu, so dass er die strategischen Ziele unterstützt?),
  • Kooperationskultur (d.h., wie muss oder soll sich die Kultur der Zusammenarbeit im Unternehmen verändern, z.B. um digitalisierte Abläufe besser zu nutzen?,
  • Wachstums- und New-Business-Kultur (d.h., welche neuen Denk- und Verhaltensmuster brauchen wir im Unternehmen, um Marktpotenziale besser zu erschießen und das profitable Wachstum voranzutreiben?),
  • Markenkultur (d.h., wie müssen sich Denk- und Verhaltensmuster im Innern verändern, um auch künftig unter veränderten Rahmenbedingungen, die Attraktivität und Bindungskraft der Unternehmensmarke sowie von Produktmarken zu sichern?),
  • Stakeholder- und Beziehungskultur (d.h., wie soll sich die Qualität der Beziehungen zu den Stakeholdern spürbar werden und was ist dafür zu tun?),
  • usw.

Botschaft: „Kulturelle Weichenstellungen sollten nicht wegen unklarer Zielsetzung ins Leere laufen.“

Selbst in großen Unternehmen wird oft mit der Einstellung gearbeitet, „alles sei irgendwie Kulturwandel.“ Leider wird viel zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit darauf verwendet, Ziele und Erwartungen von kulturellen Veränderungsprozessen, so wie skizziert, genau zu reflektieren. Dann versucht man, den Kulturwandel „irgendwie“ in Gang zu setzen, beschränkt sich aber meistens auf Vorgaben oder schön formulierte, realitätsferne Wunschformeln.

Ohne differenzierte Ziele kann man auch Fortschritte im Kulturwandel nicht messen. Je klarer aber die Ziele sind, desto besser kann man daraus auch KPIs ableiten und die erfolgreiche kulturelle Weiterentwicklung transparent machen (individuelle KPIs zum Kulturwandel kann man recht einfach bestimmen; Näheres gerne im persönlichen Austausch über meine Webseite www.wordsvalues.de).

Zu Argument 2: Permanente Aufmerksamkeit für die kulturelle Wahrnehmung innerhalb und außerhalb des Unternehmens – z.B. über „Social Listening“ (Was muss ich wissen?)

„Was und wie wird über das Unternehmen gedacht und gesprochen? Und was davon ist kulturrelevant? Was kann sich positiv oder negativ auf die Kultur auswirken?“ Die regelmäßige, aufmerksame Analyse der aktuellen Wahrnehmung des Unternehmens bei Mitarbeitern, Führungskräften und ggf. auch extern bei Kunden und in der Öffentlichkeit sowie die Erhebung von individuellen Erwartungen und Problemen ist das Kernstück eines jeden Veränderungsprozesses. Wie sonst könnte man Menschen für Veränderungen begeistern, wenn man ihre Einstellungen, Denk- und Handlungsmuster, ihre Wünsche, Ängste und Erwartungen nicht kennt? Nur so kann man die Richtung des Kulturwandels bestimmen und erfährt zudem inhaltliche Anknüpfungspunkte für die einzelnen Kommunikationsmaßnahmen. Wenn Change-Prozesse ohne dieses Wissen in Gang gesetzt werden, scheitern sie.

Überschaubarer Aufwand

In diesem zweiten Argumentationsfeld sollte man darstellen, wie einfach das notwendige Bild zu erheben ist.

In normalen Change-Projekten reichen Barometerabfragen im zwei- oder dreimonatlichem Rhythmus für diesen Zweck aus. Im Kulturwandel sollte man dagegen zumindest in der Anfangszeit ein permanentes Monitoring einrichten. Hierfür eignet sich z.B. „Social Listening“ als Methode. Darunter versteht man ein systematisches Verfolgen und Bewerten von Online-Konversationen in den relevanten Social Media Kanälen, wozu spezielle Tools genutzt werden können. Gewöhnlich wird Social Listening extern eingesetzt, um marken- und themenrelevante Wahrnehmungen frühzeitig zu erfahren (vor allem kritische). Man kann es aber auch intern nutzen (auch datenschutzkonform), um Strategie und Maßnahmen für den Kulturwandel besser und vor allem bedarfsorientiert planen zu können. Wenn man auf diese Weise zum Beispiel erfährt, dass für die Mitarbeiter ganz andere kulturelle Anker- und Identifikationselemente wichtiger als angenommen, ist dies eine wichtige Planungskoordinate. Die so erhobenen Informationen sollte man in Arbeitsgruppen genauer analysieren.

Ein weiteres Mittel ist die Nutzungsanalyse von internen Kommunikations- und Dialogangeboten. So kann man zumindest die Attraktivität von Themen beurteilen. Welche Seiten bzw. Inhalte wurden wie oft und wie lange abgerufen? Welche Aktionen und Kampagnen finden besondere Aufmerksamkeit? Etc. Man könnte annehmen, dass solche Nutzeranalysen in jedem Unternehmen leicht erhoben werden können. Ich habe allerdings in etlichen – auch sehr großen – Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass dies aus technischen oder politischen Gründen keineswegs selbstverständlich ist. Praktische kulturelle Anforderungen werden bei Entscheidungen für ein neues Social Intranet leicht außer Acht gelassen!

Botschaft: „Nur wenn man die Sicht der Menschen auf die Kultur kennt, kann man sie mobilisieren. Tools und Methoden machen das einfach; aber das Problem ist meistens nicht das Wissen-Können, sondern das Wissen-Wollen.“

Zu Argument 3: Tempo ist entscheidend im Kulturwandel (Was ist wann und wie zu tun?)

Auch beim dritten Argument, beim richtigen Timing in kulturellen Veränderungsprozessen, geht es in Wahrheit nur um die richtige Prioritätensetzung. Es gibt bestimmte enge Zeitfenster, innerhalb derer zwingend Erwartungen konkretisiert, notwendige Informationen geliefert, kritische Punkte geklärt und die Begeisterung für eine kulturelle Weiterentwicklung lebendig gehalten werden müssen.

Werden kulturverändernde Maßnahmen verschleppt, kann der gesamte Prozess scheitern.

Dabei gilt: Je stärker der Auftakt, je fulminanter die Ankündigung des Kulturwandels und die Aufforderung an alle zur aktiven Mitgestaltung ist, desto kleiner ist erfahrungsgemäß das Zeitfenster, innerhalb dessen die nächsten sichtbaren und spürbaren Schritte eingeleitet werden können. Hier gelten auch keine Ausreden wie etwa „Wir müssen erstmal die Grundlagen unserer Kultur in einer speziellen Arbeitsgruppe festlegen und benötigen Zeit dafür …“.

Entscheidend ist, welche Dynamik im Kulturwandel die Mitarbeiter, Führungskräfte und ggf. externen Stakeholder erleben. Haben sie das Gefühl, dass den Ankündigungen nicht rasch genug weitere Schritte folgen, bricht die Unterstützung weg. Dann wird man den Kulturwandel als gemeinsames, unternehmensweites Anliegen auch später nicht mehr glaubwürdig und effizient vorantreiben. Insofern gilt im Kulturwandel die Devise: „Tempo, Tempo, Tempo!“

Botschaft: Gespräche in diesem Argumentationsfeld sind oftmals die schwierigsten. Leider gehört es zum Schicksal der Kultur, dass andere Themen und Aufgaben im Unternehmensalltag Priorität haben. Zeit ist eine knappe Ressource. „Die Anliegen des Kulturwandels müssen auch zeitlich Vorrang haben. Sie erfordern in der Regel rasches Handeln.“

Fazit: Was heißt das nun für die Praxis des Kulturwandels?

  • Kulturwandel hat überhaupt nichts Mysteriöses. Er ist auch nicht schwerer zu managen als andere Veränderungsprozesse – wenn man weiß, was genau man erreichen will. Aber er muss die notwendige Dynamik entfalten.
  • Kulturelle Entwicklungsprozesse sind kein Selbstläufer. Sie erfordern eine regelmäßige Neujustierung. Abgeschlossen ist der Kulturwandel nie. Ihn in Gang zu setzen und kontinuierlich Fortschritte zu erzielen, kostet Mühe und Ausdauer. Nur im zähen Ringen um die notwendigen Prioritäten kann man die Weichen stellen, um die Denk- und Verhaltensmuster in der Organisation in richtig weiterzuentwickeln.
  • Das gelingt mit geeigneten Argumenten, die Kulturveränderungen auch transparent und messbar machen. Die hier genannten Vorschläge lassen sich auf die individuellen, unternehmensspezifischen Kontexte übertragen.
  • Die genannten Argumente sensibilisieren übrigens auch für die Auswahl geeigneter Dienstleister, falls man sich im Kulturwandel unterstützen lassen möchte. Sie spiegeln nämlich ein ganzheitliches Kulturverständnis wider, das man in allen Gesprächen und Aktivitäten einfordern sollte. Im Kulturwandel helfen Mitstreiter mit Tiefgang – Partner, die einen nicht mit hübsch aufbereiteten, aber realitätsfernen Kulturleitsätzen, Leitbildern ohne erlebbaren Mehrwert oder mit „Wohlfühl-Workshops“ abspeisen.
  • Als Mobilisierer und Befähiger im Kulturwandel sind übrigens Interim Manager wegen ihrer tieferen Einbindung und Kenntnis kulturrelevanter Prozesse prädestiniert. Für mich selbst hat sich daraus sogar ein besonderer Schwerpunkt meiner Arbeit ergeben.
  • Der Kulturwandel in Unternehmen betrifft alle. Aber Top-Management, Führungskräfte, Kommunikations- und Personalverantwortliche sowie ihre externen Mitstreiter sind besonders in der Pflicht, für den richtigen Kurs und die notwendige Dynamik zu sorgen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern, dass sie in ihrem Unternehmen mit den richtigen Argumenten die Dynamik im Kulturwandel entfachen!