Unterschätzter Erfolgsfaktor
Die Unternehmenskultur ist der Hidden Champion im Management von Unternehmen. Sie hat eine herausragende Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit und damit auch für das Wachstum und den Erfolg von Organisationen. Trotzdem haben viele Unternehmen große Probleme damit, die Weichen für eine starke Unternehmenskultur richtig zu stellen.
Zwar hat sich spätestens mit dem Peter Drucker zugeschriebenen Bonmot „Culture eats strategy for breakfast“ die Erkenntnis durchgesetzt, dass die beste Unternehmensstrategie nichts bringt, wenn die kulturellen Rahmenbedingungen zur erfolgreichen Umsetzung im Unternehmen nicht gegeben sind oder nicht funktionieren. Aber die Crux liegt in der praktischen Umsetzung. Wir erleben immer häufiger, dass Unternehmen nicht durch falsche Strategien und Geschäftskonzepte in Schieflage geraten, sondern durch kulturelle Schwächen – sei es, weil definierte Unternehmenswerte nicht ernst genommen oder Spielregeln nicht eingehalten werden. Wie also fördert, entwickelt und sichert man praktisch eine Unternehmenskultur, die eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit ermöglicht und das Profil im Wettbewerb schärft? Wie richtet man sie aus und macht sie erlebbar?
Darum geht es in diesem Beitrag.
Er möchte zu einem umfassenderen Kulturverständnis ermuntern und den Wert der Kommunikation dabei deutlich machen.
Als Entwicklungsprozess zu gestalten
Die Betrachtung der Unternehmenskultur führt stets zu einer Momentaufnahme. Tatsächlich ist Kultur aber ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess.
Die Kultur von Unternehmen verändert sich kongruent zur unternehmerischen Entwicklung und zum Wandel der Rahmenbedingungen.
So ist beispielsweise das Unternehmenswachstum ein kulturverändernder Faktor. Größere Unternehmen erfordern naturgemäß veränderte Strukturen, andere Governance- und Steuerungsprinzipien, sie erfahren interne und extern auch eine veränderte Wahrnehmung. All das hat vielfältige Auswirkungen auf die Unternehmenskultur.
Dabei ist es entscheidend, wie das Wachstum erreicht wird: Organisches Wachstum oder internationale Expansion machen andere kulturfördernde Maßnahmen notwendig als zum Beispiel Wachstum, das durch Fusionen oder Zukäufe generiert wird und das die Integration unterschiedlicher Ausgangskulturen voraussetzt, oder als das Wachstum durch neue Geschäftsfelder, die unter Umständen das Training neuer Kompetenzen und anderer Formen der Zusammenarbeit mit sich bringen. Auch besondere Wachstumszwänge, beispielsweise der Druck, Neugeschäft zu akquirieren, um das Unternehmen profitabel weiterzuentwickeln, ist ein kulturbeeinflussender Faktor.
Ein weiterer die Kultur massiv verändernder Faktor sind Krisen. Und je nachdem, wodurch eine Krise ausgelöst wurde, muss man die unternehmenskulturellen Weichen anders stellen.
Und natürlich beeinflussen die großen gesellschaftlichen Trends die Unternehmenskultur und erfordern bisweilen eine fundamentale kulturelle Neuausrichtung; die Digitalisierung bzw. die digitale Transformation von Unternehmen ist ein gutes Beispiel hierfür.
In jedem Fall ist die Unternehmenskultur ein Prozess, der sich nicht von selbst entwickelt und dem Zufall überlassen werden könnte, sondern der systematisch gestaltet werden muss.
Um ein gemeinsames, einheitliches, möglichst widerspruchsfreies Kulturverständnis im Unternehmen zu erreichen, genügen keine Wertebekenntnisse oder Appelle an ein konstruktives Miteinander, vielmehr muss man Kultur in allen Unternehmensbereichen aktiv erfahrbar machen.
Kurz gesagt, braucht man zwei Dinge:
- Definierte Standards, Regeln, Werte der Unternehmenskultur, beispielsweise formuliert in einem Leitbild und verbindlichen Governance-Regeln.
- Kulturtreiber, d.h. identitätsstiftende und kulturfördernde Maßnahmen, die gemeinsame Erfahrungen, Kompetenzen und den Umgang im Unternehmen beschreiben und dadurch Identifikationsanker für die Mitarbeiter und Orientierung schaffen.
In der Praxis befassen sich viele Unternehmen nur mit Top 1 und berücksichtigen zu wenig, dass erst im Zusammenspiel von Top 1 und Top 2 eine starke Unternehmenskultur entsteht.
Dilemma: Unternehmenskultur mit falschen Vorzeichen
An Anregungen und Modellen zur Kulturentwicklung mangelt es nicht. Ich selbst habe mit dem Beitrag „Strategie und Maximen des Kulturwandels“ Vorschläge für das praktische Vorgehen gemacht, an die ich hier anknüpfe. Auch am Bemühen der verantwortlichen Manager um eine lebendige, starke Kultur mangelt es in der Regel nicht. Der Grund für unternehmenskulturelle Schwächen liegt vielmehr sehr oft in den falschen Vorzeichen – im falschen „Spin“ der Kultur.
Hierfür kann man drei Ursachen identifizieren:
- Die Gestaltung einer starken Unternehmenskultur wird selten als ein ganzheitlicher Entwicklungsprozess verstanden, sondern auf einzelne Facetten reduziert. In der Regel stehen einzelne Werte im Vordergrund, zu denen man sich bekennt, nicht aber die aktive Wertevermittlung. Dann werden zwar Eckpfeiler der individuellen Unternehmenskultur definiert, aber diese in der Geschäftstätigkeit nicht erlebbar und begreifbar gemacht. Es wirkt auch beliebig statt verbindlich, wenn man einzelne Werte propagiert, die eher einen Anspruch als die Realität verkörpern.
- Sehr oft wird ein Kulturwandel angestrebt, ohne sich – auf Basis regelmäßiger genauer Analysen – bewusst zu machen, worin genau eigentlich die individuelle Herausforderung liegt und ob es im konkreten Fall um die konsequente Entwicklung/Weiterentwicklung oder um eine grundlegende Veränderung der Unternehmenskultur gehen muss. Das macht nämlich einen großen Unterschied: Kultur zu verändern, ist ein anderer Prozess mit anderen Anforderungen als die bestehende Kultur weiterzuentwickeln. Eine grundlegende Kulturveränderung sollte man nicht ohne Grund anstreben, sondern nur wenn sich die Rahmenbedingungen im Unternehmen massiv ändern oder kulturelle Schwächen durch Krisen offenbar geworden sind. In jedem Fall ist der vorschnelle Ruf nach einem „irgendwie gearteten“ Kulturwandel gefährlich.
- Auch falsche Zuständigkeiten oder Verantwortlichkeiten können zu falschen Vorzeichen bei der Entwicklung der Unternehmenskultur führen. Eine gute Kultur sicherzustellen, sollte oberstes Anliegen des Top-Managements und Gestaltungsauftrag der Unternehmenskommunikation sein. Diese hat strategisch und operativ einen großen Einfluss auf eine funktionierende Unternehmenskultur. Sie berührt den Kommunikationsauftrag. Verlagert man dagegen die Zuständigkeit in andere Unternehmensbereiche (z.B. ins Personalmanagement) oder überlässt die Kulturentwicklung externen Dienstleistern, dominieren sehr oft einzelne Facetten (z.B. Teambildung oder Führungsverhalten) und es fehlt der ganzheitliche Ansatz.
Im Folgenden geht es also um die richtigen Vorzeichen für eine gute Unternehmenskultur.
Worin liegt die Herausforderung?
Was macht eine gute Unternehmenskultur aus?
Es gibt eine Fülle unterschiedlicher Definitionen des Begriffs Unternehmenskultur. Viele beschreiben nur Teilaspekte, etwa die Kooperation im Unternehmen oder die Unternehmenswerte, und werden einem ganzheitlichen unternehmerischen Anspruch nicht gerecht. Andere spannen den Rahmen wiederum größer, wie z.B. das 7-S-Modell der McKinsey-Berater Peters und Waterman, bleiben aber mit der Reduzierung von Kultur auf den Führungs- und Managementstil und mit der Erklärung als „weicher“ Erfolgsfaktor (im Gegensatz zu harten Faktoren wie z.B. der Unternehmensstrategie) letztlich an der Oberfläche. (Aus meiner Erfahrung ist es hingegen ratsam, Kultur als harten Erfolgsfaktor auf einer Stufe wie die Unternehmensstrategie zu betrachten).
Ich definiere Unternehmenskultur als „das allen internen Stakeholdern gemeinsame, auf Erfahrungen und Überzeugungen basierende Verständnis der Arbeit im Unternehmen, an dem jeder Einzelne sein Denken, Entscheiden und Handeln (also sein persönliches Orientierungs- und Verhaltensmuster) ausrichtet. Darin fließen definierte Regeln, Standards und Identifikationsmerkmale der Unternehmensmarke ebenso ein wie die Ziele und Strategien des Unternehmens, sein gesellschaftlicher Anspruch und die Fähigkeiten der Mitarbeiter.“ Mit Blick auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Kultur, nämlich Pflege, wird deutlich, dass es hier um einen Prozess geht, der stets zukunftsorientiert und auf ein Optimum ausgerichtet ist. „Eine lebendige Kultur setzt Flexibilität und Veränderungsbereitschaft der gesamten Organisation voraus.“
Diese Definition beschreibt implizit, was eine gute Unternehmenskultur auszeichnet und anzustreben ist:
- Eine starke Unternehmenskultur spiegelt den unternehmerischen und geschäftlichen Anspruch, aber auch die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wider.
- Eine starke Unternehmenskultur trägt zum Erreichen der Geschäftsziele bei.
- Die Unternehmenskultur stärkt die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Sie erweitert die Handlungsspielräume des Managements.
- Sie trägt zum Wachstum und zum nachhaltigen Erfolg des Unternehmens bei (Impulse für Neugeschäft und profitables Wachstum).
- Eine starke Unternehmenskultur ist weitgehend widerspruchsfrei und vermeidet z.B. Widersprüche im Unternehmensauftritt. Zwischen Anspruch und Realität – zwischen Werten und Standards des Unternehmens sowie dem tatsächlichen Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitern – gibt es keine Differenzen.
- Eine starke Unternehmenskultur wird von Führungskräften und Mitarbeitern akzeptiert und geschätzt, erhöht aber auch die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit nach außen, z.B. gegenüber den Kunden. Sie lebt von guter Kommunikation. Interne und externe Stakeholder erwarten Orientierung darüber, was den Kern der Unternehmenskultur ausmacht, woran sie erkennbar ist, wie sie die Leistungsfähigkeit der Organisation widerspiegelt und wie sie sich verändern muss, um lebendig und glaubwürdig zu bleiben. Insofern macht eine starke Unternehmenskultur Unternehmen nach innen und außen berechenbar.
- Eine starke Unternehmenskultur schärft bei den Mitarbeitern das Bewusstsein für die Chancen und Entwicklungspotenziale des Unternehmens, aber auch für mögliche Risiken im Wettbewerb bzw. im Unternehmensbetrieb. So macht sie die Organisation widerstandsfähig (resilient) und hilft, negative Entwicklungen zu vermeiden bzw. sich darauf vorzubereiten.
Die genannten Aspekte führen zu zwei Erkenntnissen.
Zum einen wird deutlich, dass es nicht allein darum geht, wie gut die Unternehmenskultur heute funktioniert, sondern wohin sie führt – mit anderen Worten: wie sie den Erfolg und die Wettbewerbsstärke in Zukunft und insbesondere in kritischen Situationen sichert. Die Kultur ist insofern ein strategisches Instrument der Unternehmensentwicklung und stets nach vorne gerichtet.
Zum anderen wird deutlich, worin der Managementauftrag liegt. Unternehmensführung und Kommunikationsmanager müssen die Weichen für eine Unternehmenskultur stellen, die die gekannten Kriterien erfüllt: Das ist eine komplexe Aufgabe, die über die Definition von Unternehmenswerten, die Entwicklung eines Leitbilds und einzelne teambildende sowie kooperationsfördernde Maßnahmen hinausgeht.
Sie besteht darin, die richtigen Kulturtreiber zu entwickeln: Das sind Projekte und Kommunikationsmaßnahmen, anhand derer die Kultur des Unternehmens erkennbar wird.
Das Dekagon der Unternehmenskultur:
Für ein neues, integriertes Kulturverständnis
Wenn sich Unternehmen um den Wandel bzw. die Förderung ihrer Kultur bemühen, erlebe ich oft eine Reduzierung auf einzelne, mehr oder wenig beliebig ausgewählte Themen und Kulturmerkmale. In der Praxis werden zum Beispiel Leitbilder mit Merkmalen und Leistungsversprechen des Unternehmens entwickelt, die den Mitarbeitern und Führungskräften im Alltagsbetrieb nicht konkret helfen, weil sie nicht anschlussfähig an die tatsächliche Unternehmenswelt sind. Kulturentwicklung ist zudem oft von Wunschdenken geprägt.
Hilfreich ist dagegen ein ganzheitliches Verständnis, das die 10 wichtigsten Referenzfelder der Unternehmenskultur betrachtet. Darunter verstehe ich einzelne Kulturdimensionen, die zusammen das Profil der Unternehmenskultur prägen:
- Führungskultur
- Organisationskultur (Aufbau, Hierarchien und Infrastruktur)
- Leistungskultur
- Kooperationskultur
- Innovationskultur
- Veränderungskultur
- Wachstums- und New-Business-Kultur
- Markenkultur
- Stakeholder- und Beziehungskultur
- Kommunikationskultur
Das Dekagon der Unternehmenskultur drückt aus, dass alle 10 Kulturdimensionen in einem engen Zusammenhang stehen. Sie sollten stimmig und widerspruchsfrei zusammenspielen. Je besser es gelingt, dieses Zusammenspiel überzeugend und attraktiv zu vermitteln, desto stärker ist die Unternehmenskultur – und desto größer ist ihr Nutzen für die Unternehmensentwicklung.
Die Entwicklung oder Veränderung der Unternehmenskultur setzt Klarheit über das Profil des Unternehmens in all den genannten Kulturfeldern voraus. Das wiederum bedingt eine kontinuierliche Analyse und Prüfung von Optimierungsansätzen voraus.
Kulturentwicklung ist eine Daueraufgabe, die nie abgeschlossen ist.
Das Dekagon hilft, die Vielfalt der eigenen Unternehmenskultur verbindlich zu beschreiben
Die Führungskultur wird in allen gängigen Modellen der Unternehmenskultur als wesentlicher Faktor betrachtet. Die Unternehmenskultur drückt sich im besonderen Maße im Führungsverhalten der Manager aus. Viele Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter schlechte Führung als Ausdruck einer schlechten Kultur betrachten und dass hierin einer der häufigsten Kündigungsgründe liegt. Einen besonderen Einfluss auf die Unternehmenskultur hat auch der Umgang der Führungskräfte untereinander und zwischen verschiedenen Hierarchieebenen. Den größten Einfluss auf die Kultur hat aber der Führungs- und Managementstil des Top-Managements. In diesem Feld geht es somit um Fragen wie: Wie lässt sich der Führungsstil beschreiben? Welche Führungsprinzipien gelten? Wie geht man mit Fehlern um? Wie wird Führung organisiert und gestaltet? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie wird das Unternehmen gesteuert (z.B. KPIs, Balanced Scorecards)? Wie stellt die Unternehmensführung die Erreichung der Ziele sicher? Und an welcher Unternehmens- und Geschäftsstrategie ist die Führungskultur ausgerichtet? Usw.
Auch die Organisationskultur beeinflusst die Unternehmenskultur: Wie ist das Unternehmen aufgebaut und strukturiert? Legt man Wert auf eine transparente, offene und interdisziplinär funktionierende Organisation und Infrastruktur? Oder nimmt man Komplexität und Intransparenz in Kauf? Sind eher Silostrukturen oder neue Formen der übergreifenden Zusammenarbeit typisch für das Unternehmen? Eher Großraumbüros und offene Türen, rotierende Arbeitsplätze oder klassische Bürosituation? Wie ist das Wissensmanagement organisiert? Kann jeder bequem auf das im Unternehmen vorhandene Wissen und die Erfahrungen zugreifen? Wie flexibel ist die Infrastruktur? Hält sie Engpässe aus ohne unzumutbare Zusatzbelastung für die Mitarbeiter? Sind personelle und budgetäre Ressourcen eher zu knapp bemessen oder üppig? Usw.
Kultur und Leistungsfähigkeit von Organisationen stehen in einem engen Wirkungsverhältnis. Das Leistungsversprechen gegenüber den Kunden und die Leistungserwartung gegenüber den Mitarbeitern sind kulturprägend. Es gibt beispielsweise extrem effizienzorientierte Unternehmen und solche, die eher auf Nachhaltigkeit bzw. eine nachhaltige Leistungserbringung ausgerichtet sind. Setzt die Leistungskultur eher auf eigenverantwortliches Handeln und Initiative der Mitarbeiter oder auf Verordnung? Was ist überhaupt der Leistungsanspruch, auch im Vergleich zu Wettbewerberbern? Wie werden Leistungen gewürdigt und honoriert? Mit welchen Instrumenten versucht man die Leistungsfähigkeit zu steigern? Usw. Rund um die Leistungskultur von Unternehmen gibt es eine Fülle spannender Fragen zu klären.
Etliche Modelle betrachten die Interaktion, den Austausch und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter als wichtigstes Merkmal der Unternehmenskultur. Kann die Kooperationskultur im Unternehmen beispielsweise eher als partnerschaftlich und vernetzt bewertet werden oder sind Abteilungsgrenzen wichtiger? Zählen eher Team- oder eher Einzelleistungen? Eher subsidiär oder auf die Interessen einzelner ausgerichtet? Usw. Wie komplex dieser Aspekt ist,habe ich am Beispiel der Kooperation im Kommunikationsbereich im Beitrag „Kooperation im Kommunikationsmanagement: Wie die Art der Zusammenarbeit Kommunikationserfolge beeinflusst“ genauer ausgeführt.
Besonders innovative Unternehmen sind bei Arbeitnehmern und in der öffentlichen Wahrnehmung beliebter als solche, die sich nicht durch eine hohe Innovationskraft auszeichnen. Die Innovationskultur beschreibt, wie und in welchem Umfang Unternehmen die Entwicklung von Innovationen fördern bzw. ermöglichen. Gibt es im Arbeitsalltag genügend Freiraum für Kreativität und neue Problemlösungen? Wie werden Themen und Kompetenzen im Unternehmen so entwickelt, dass daraus Lösungen für den Markterfolg von morgen entstehen? Usw.
Auch die Fähigkeit des Unternehmens und seiner Mitarbeiter zur Veränderung und Anpassung an die sich wandelnden Marktanforderungen oder Rahmenbedingungen beeinflusst erheblich die Unternehmenskultur. Veränderung gehört zum Business-Alltag, ist aber generell unbequem. Unternehmen gehen damit unterschiedlich um: Die einen setzen das Funktionieren von Veränderungsprozessen voraus, andere scheuen keinen Aufwand, um alle Führungskräfte und Mitarbeiter in Veränderungsprozessen zu begleiten, Ängste abzubauen, Perspektiven zu zeigen und zum Wandel zu befähigen. Mitarbeiter nehmen die Veränderungskultur sehr aufmerksam wahr. Veränderungsbereite Unternehmen gewinnen nach Umbrüchen erfahrungsgemäß rascher ihre Leistungsfähigkeit zurück.
Auch die Wachstums- und New-Business-Kultur, also die Art, wie Wachstum und Neugeschäft generiert werden, sagt viel über ein Unternehmen und seine Haltung aus. Werden neue Geschäftschancen über persönliche Netzwerke und Empfehlungen entwickelt oder durch Werbung und Kaltakquise. Vor allem in kleineren Unternehmen kann hier unter Umständen ein Druck auf die Mitarbeiter entstehen, der das Miteinander im Unternehmen und abhängig von der sonstigen Leistungsfähigkeit belastet. Deswegen liegt hier ein kulturrelevantes Feld vor.
Marke und Kultur beeinflussen sich ebenfalls gegenseitig: Zum einen entstehen Unternehmensmarken im Innern gerade durch eine glaubwürdige und im Wettbewerb unverwechselbare Unternehmenskultur, zum anderen wirken sich all die definierten Attribute der Markenidentität, wie die Markenwerte und Markenbotschaften, das Corporate Behaviour (das konsistente Verhalten des Unternehmens nach innen und außen) oder die Elemente des Markenauftritts von der Corporate Identity bis hin zu Werbekampagnen auf die Kultur aus. Die Markenkultur ist ein Teil der Unternehmenskultur.
Weithin unterschätzt, aber ebenfalls in hohem Maße kulturprägend ist das Stakeholder- und Beziehungsmanagement. Welche Kultur wird hier gepflegt? Welchen Stellenwert hat die Pflege und Weiterentwicklung der Beziehungen mit den relevanten Stakeholdern? Und welcher Instrumente bedient man sich hierzu? Wie geht man mit Erwartungen der Stakeholder um? Wie stärkt man die Loyalität von Kunden und Mitarbeitern? Um diese und viele weitere Aspekte geht es in diesem Kulturfeld.
Und schließlich die Kommunikationskultur. Hierzu zählen der Anspruch und das Selbstverständnis sowie Umgang und Stil im Kommunikationsteam. Kommunikationsmanager haben nicht nur eine natürliche Vorbildfunktion, die die Stimmung im Unternehmen beeinflussen kann, sie beeinflussen mit ihren Kommunikationsangeboten auch unmittelbar die Unternehmenskultur. Dialogorientierte Formate, gute Social Media Angebote oder die Bereitstellung von Plattformen für die unternehmensinterne Meinungsbildung und den Austausch untereinander fördern beispielsweise eine offene und engagierte Kultur. Grundsätzlich gilt: Das Management der Unternehmenskommunikation ist auch eine kulturelle Herausforderung und umgekehrt sollte man das Management der Unternehmenskultur in besonderem Maß als Kommunikationsaufgabe verstehen.
Fazit: Mithilfe des Dekagons fällt die integrierte Betrachtung der Unternehmenskultur leichter. Nur wenn man alle zehn Felder permanent im Blick hat und neben dem aktuellen Profil die Optimierungsmöglichkeiten bzw. die Veränderungszwänge prüft, kann man die Kultur von Unternehmen bedarfsorientiert und im Interesse der unternehmerischen Zielsetzung entwickeln und die am besten geeigneten Maßnahmen aufsetzen.
Wie arbeitet man mit dem Dekagon der Unternehmenskultur?
Bei der Ausrichtung und Weiterentwicklung der Unternehmenskultur liefert das Dekagon die inhaltlichen Impulse, stellt die Relevanz für und den individuellen Bezug zum Unternehmen sicher und verhindert somit Beliebigkeit. Das Dekagon prägt alle drei Bausteine, die bei der Entwicklung der Unternehmenskultur zu berücksichtigen sind, nämlich:
- die Analyse,
- die Erarbeitung von Standards, Regeln und Werten der Kultur, die im Unternehmensleitbild oder in Corporate Principles verbindlich formuliert werden
- und vor allem die Entwicklung der konkreten kulturfördernden oder kulturstabilisierenden Aktivitäten.
Das Schaubild zeigt die Bausteine der Kulturentwicklung und verdeutlicht die Abhängigkeiten. In den beiden Säulen entstehen die notwendigen Identitäts- und Kulturanker, mit denen die Bedeutung der Unternehmenskultur im Geschäftsalltag erlebbar wird.
Wie man ein praxistaugliches Leitbild entwickelt und auf Dauer lebendig hält (siehe linke Säule), habe ich im Beitrag „Wenn Leitbilder unglaubwürdig machen“ genauer ausgeführt. Wichtig ist hier, dass diese kulturbestimmenden Festlegungen auf ihre Aktualität und Praxisnähe immer wieder überprüft und bei Bedarf weiterentwickelt werden. Ausgeblendet habe ich an dieser Stelle auch die Anforderungen rund um die Organisation und Infrastruktur für eine effizientes Management der Unternehmenskultur. Die Bedeutung der Rahmenbedingungen für eine glaubwürdige Kultur ist nicht zu unterschätzen, aber hierzu gibt es in anderen Beiträgen dieses Blogs genauere Anregungen.
Was sind Beispiele für kulturerklärende oder kulturfördernde Maßnahmen?
Hierzu zählen z.B. besondere Themenkampagnen oder Leuchtturmprojekte, mit denen das Unternehmen sein Profil im Wettbewerb schärft. Solche Aktivitäten können nicht nur besondere Kompetenzen und Problemlösungsfähigkeiten herausstellen, sondern verraten auch viel über die Arbeit und die Denkweisen im Unternehmen. Man kann darüber an konkreten Beispielen aus dem täglichen Business unter anderem vermitteln,
- was etwa Innovation konkret für das Unternehmens bedeutet, wie Innovationen gefördert und innovatives Denken und Handeln betrachtet werden, wie Innovationen die Arbeit für die Kunden und die Zusammenarbeit im Unternehmen attraktiv machen, usw. usw.
- was die Führungskultur im Unternehmen konkret ausmacht, an welchen Prinzipien sich das Management orientiert und was das für die Mitarbeiter, die Stimmung im Unternehmen und die Leistungsfähigkeit bedeutet,
- welche Regeln und Grundsätze im Unternehmen dafür sorgen, dass der Betrieb auch morgen noch attraktiv und wettbewerbsfähig ist und welche Entwicklungschancen darin für die Mitarbeiter liegen, usw. usw.
Die Liste lässt sich fortsetzen. Aber Achtung: Um eine lebendige Unternehmenskultur zu sichern und weiterzuentwickeln, bedarf es gar nicht vieler Projekte in der rechten Säule, vielmehr kommt es auf die richtigen Akzente, Signale und Botschaften an. Entscheidend ist das Wirkungsprinzip dahinter zu verstehen: „Die Kultur eines Unternehmens zeigt sich am besten im konkreten Handeln!“
Über die hohe Identifikation der Mitarbeiter mit zukunfts- und unternehmens- oder gesellschaftsrelevanten Themen wird die Bindung gestärkt. Die Kultur des Unternehmens bleibt nicht Theorie, sondern wird an Beispielen aus dem Geschäft erlebbar.
Auch Kommunikationsmaßnahmen, die eine besondere Einbindung der Mitarbeiter ermöglichen, sind in hohem Maße kulturprägend, z.B. Corporate Blogs. Darüber können Mitarbeiter substanziell zur Profilierung des Unternehmens beitragen und das Unternehmen auf diese Weise eine offene, verantwortungsorientierte Kultur demonstrieren, die das Engagement der Mitarbeiter wertschätzt.
Aber auch kulturbeschreibende Projekte gehören hierher, z.B. ein „Culture Book“, das neuen Mitarbeitern die Arbeit im Unternehmen und die Einstellungen oder Erfahrungen anderer Kolleginnen und Kollegen vermittelt.
Wenn man auf diese Weise die Unternehmenskultur ausrichtet und entwickelt, ist der Nutzen klar:
- Das Unternehmen bleibt von innen heraus wettbewerbsstark.
- Mitarbeiter, Kunden und andere Stakeholder verstehen das Unternehmen besser, sind zufrieden und loyal.
- Das Unternehmen hat mit der Kultur eine starke Basis für Wachstum und eine nachhaltig erfolgreiche Entwicklung.
Fazit
Die Unternehmenskultur erfordert ein aktives Engagement. Man muss sich darum kümmern! Und zwar nicht erst in Krisen oder bei offenkundigen kulturbedingten Problemen – dann ist der Aufwand viel größer. Sondern permanent! Kulturentwicklung ist eine Daueraufgabe.
Angesichts der großen kulturellen Probleme, die den geschäftlichen Erfolg vieler Unternehmen behindern, sollte man den Blick für die eigene Unternehmenskultur schärfen. Wie klar und lebendig ist sie? Wie gut unterstützt sie die Geschäftstätigkeit? Welche Weichenstellung ist notwendig? Bedarf es eines Kulturwandels im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung oder muss die Kultur grundlegend verändert werden?
Kultur muss anhand von Themen, Projekten und konkreten Aktivitäten erlebbar sein. Kulturdefinierende und kulturfördernde Maßnahmen müssen zusammenwirken. Darin liegt in besonderem Maß eine Aufgabe für die Unternehmenskommunikation. Umgekehrt betrachtet ist das Management der Unternehmenskommunikation stets auch eine kulturelle und kulturrelevante Herausforderung.
Unternehmenskultur ist komplex und muss das Potenzial des Unternehmens in der gesamten Bandbreite reflektieren. Das erfordert ein neues integriertes Verständnis von Unternehmenskultur, das über die Erarbeitung eines Leitbilds und die Festlegung von Unternehmenswerten hinausgeht. Für manchen bedeutet das: Umdenken! Das Dekagon der Unternehmenskultur kann hierbei eine praktische Hilfe sein.
Kultur braucht Verbindlichkeit. Sie ist ebenso wie die Unternehmensstrategie ein unverzichtbarer harter Erfolgsfaktor!
Die Unternehmenskultur muss systematisch und professionell gemanagt werden: Von der Analyse über die Nachverfolgung und Aktualisierung der kulturdefinierenden Elemente bis zur Planung und Steuerung der konkreten, kulturfördernden Maßnahmen.
Ehrlichkeit, Augenmaß und Realismus sind dabei entscheidend. Lassen Sie sich nicht von persönlichen Idealvorstellungen leiten, sondern entwickeln Sie die Unternehmenskultur konsequent aus den Fähigkeiten und Potenzialen des Unternehmens heraus!
Eine starke Unternehmenskultur zahlt sich in jedem Fall aus. Sie ist die Grundlage für künftige unternehmerische Erfolge!
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