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Kann man zu viel oder zu wenig kommunizieren?

Manchmal werden wichtige Entscheidungen erst unter Druck getroffen. Das ist auch in der Unternehmenskommunikation so. Zugegeben finde ich den in der PR-Branche immer deutlicher spürbaren Kosten- und Leistungsdruck gar nicht schlecht. Er führt nämlich dazu, dass bei der Weiterentwicklung oder Neuausrichtung der Kommunikation nicht nur gefragt wird: „Wie können wir besser/anders/mehr kommunizieren?“, sondern auch: „Wie bleiben wir trotz steigender Belastungen kommunikativ leistungsfähig?“ und „Wie viele und welche Kommunikationsmaßnahmen brauchen wir wirklich? Was ist notwendig und worauf können oder sollten wir verzichten?“

Bei der Kursbestimmung in der Kommunikation geht es heute nicht nur um Strategien für mehr Effektivität und Effizienz, sondern auch um das richtige Maß. Das ist wichtig, denn zu wenig oder unzureichende Kommunikation ist schlecht, weil dann Ziele und Erwartungen nicht erfüllt werden, zu viel Kommunikation ist aber auch nicht gut, weil ihre Wirkung angesichts der allgemeinen Reizüberflutung verwässert oder minimiert wird.

Durch den digitalen Wandel wird heute ohnehin nicht nur anders kommuniziert als früher, sondern auch viel mehr und facettenreicher. Dadurch sinkt nicht zuletzt die Aufnahmefähigkeit für Unternehmensbotschaften. In der PR ist daher die Konzentration auf das Notwendige und Wesentliche geboten, um ein zu großes oder zu breites Kommunikationsangebot zu vermeiden und die Wirkung nicht zu verwässern. Was das konkret für die Praxis der Unternehmenskommunikation bedeutet, erkläre ich in diesem Beitrag.

Nachhaltige Kommunikation hilft gegen ein hausgemachtes Problem

Zunächst möchte ich vor einem Missverständnis warnen. Fortschritt und Innovation sind auch im PR-Bereich wichtig. Es sind Wachstumstreiber. Das heißt aber nicht, dass mit der Weiterentwicklung im Kommunikationsmanagement dessen Leistungsumfang wachsen muss. Im Gegenteil: Viele PR-Abteilungen leiden unter einer ständig steigenden Arbeitsbelastung.

Wie man dem wachsenden Kosten- und Leistungsdruck begegnet, indem man Kommunikationsprozesse optimiert und die Kosten ohne Qualitätsverlust senkt, habe ich vor kurzem genauer ausgeführt.

Das quantitative Problem, der ständig wachsende Arbeitsumfang, ist allerdings in vielen Unternehmen zu einem guten Teil selbst gemacht. Auf die zunehmende Flut von Informations- und Kommunikationsimpulsen und den (vermeintlich) gestiegenen Kommunikationserwartungen der Stakeholder reagieren sie oft unreflektiert mit mehr und umfangreicheren Angeboten. Dabei wird oftmals gar nicht mehr, sondern fokussierte, punktgenauere Kommunikation erwartet.

Einige Beispiele verdeutlichen diese ungesunde Entwicklung:

  • immer mehr Pressemitteilungen und Mediengespräche
  • immer höhere Taktzahl und Informationsdichte in der internen Kommunikation, z.B. umfangreichere Mitarbeitermagazine
  • wachsender Seitenumfang bei Geschäftsberichten (nach gegenteiliger Tendenz davor), zunehmender Wildwuchs bei Image-, Themen- und anderen Corporate-Publikationen
  • oftmals redundante und unüberschaubare Angebote in den sozialen Medien (z.B. parallele Blogformate ohne spezifischen Mehrwert)
  • hohe Zahl interner und externer Unternehmensveranstaltungen (teils überflüssig oder besser koordinierbar)
  • immer komplexere Standards und Regelwerke, die den Arbeitsablauf bisweilen eher behindern als erleichtern, z.B. für Präsentationen und Corporate Identity Guidelines, Compliance- und Governance-Regeln, Unternehmensprinzipien etc.
  • zu viele und veraltete Leistungsindikatoren (KPIs), deren Erhebung aufwändig und nicht unbedingt relevant ist (u.a. Clipping-Zahlen)

Ich beobachte diese Entwicklungen in großen Konzernen ebenso wie in mittelständischen Unternehmen – nur dass Mittelständler ihren Spielraum in der Regel besser kennen und Kapazitäten zielorientierter einsetzen.

Mehr Kommunikation bedeutet jedenfalls nicht unbedingt mehr Substanz, sondern Überlastung. Der Communication Overload ist ein großes Problem – für die Gesellschaft bzw. die Stakeholder und Kommunikationspartner von Unternehmen wie auch für deren Kommunikationsmanager.

Das quantitative Problem – und damit die Arbeitsbelastung von Kommunikationsteams – ließe sich verringern, wenn man konsequent die eingangs genannten Fragen stellt: Was von all diesen Aktivitäten ist wirklich notwendig, um den Bedarf und die Erwartungen der Kommunikationspartner zu erfüllen, was ist zu viel, was ist verzichtbar? Damit tritt der Anspruch an eine nachhaltige und wirkungsvolle Kommunikation in den Vordergrund. Es lohnt sich, das herkömmliche Verständnis etwas erweitern:

Nachhaltig wirkungsvolle Kommunikation bedeutet heute:

  1. Effizienz = in der PR wirtschaftlich verantwortungsbewusst handeln im Umgang mit den eingesetzten Ressourcen (Budgets, Mitarbeiter, Dienstleister) und auf eine langfristige Wirkung ausgerichtet (je länger die Kommunikationswirkung anhält, desto mehr rechnet sich der Ressourceneinsatz)
  2. Konsistenz = stimmig und passend zu den Werten des Unternehmens kommunizieren, zu seiner Infrastruktur und Leistungsfähigkeit
  3. Suffizienz = angemessen bzw. ausreichend kommunizieren, um die angestrebten Ziele zu erreichen und die Erwartungen der Kommunikationspartner zu erfüllen

Bisher dreht sich das Verständnis nachhaltiger Kommunikation eher um die Ressourcen- und die Werteorientierung. Schwer genug für viele, das in der Praxis umzusetzen. Angesichts der generellen Informations- und Kommunikationsüberfrachtung der Gesellschaft einerseits und begrenzter Ressourcen im PR-Management andererseits darf jedoch die Suffizienz, d.h. die Angemessenheit, als weiteres wichtiges Merkmal nachhaltiger Kommunikation nicht unberücksichtigt bleiben.

Was bedeutet „suffiziente Kommunikation“ in der Praxis?

Es geht hier nicht darum, ein neues Modewort in der PR-Branche zu etablieren. Es soll auch nicht der Effizienzanspruch relativiert werden. Dieser steht über allem – Unternehmenskommunikation muss zu allererst wirkungsvoll und effizient sein. Vielmehr geht es hier um die Rückbesinnung auf alte Kommunikationstugenden, die in der Planung und Umsetzung der PR in manchen Unternehmen aus dem Blickfeld geraten sind.

Suffizient bzw. abgemessen ist ein Kommunikationsangebot nämlich dann, wenn es

  • knapp,
  • relevant und
  • fokussiert

ist.

Glaubwürdige Kommunikation orientiert sich seit jeher an diesem Anspruch.

„Knapp“ heißt, auf all die Maßnahmen und Aktivitäten zu verzichten, die nicht unbedingt notwendig sind, um die übergeordneten Kommunikationsziele zu erreichen. „Knapp“ heißt auch, bei Texten und oder im Web-Content zu prüfen, was man ohne Reduktion der Botschaften weglassen kann. „Knapp“ heißt, den Umfang von Publikationen ohne Qualitätsverlust zu verringern.

„Relevant“ heißt, sich bei der Planung und Umsetzung der Unternehmenskommunikation auf das zu konzentrieren, was für das Anliegen des Unternehmens und für die Kommunikationspartner wichtig ist. Wie oft wird der PR-Branche Beliebigkeit oder Intransparenz vorgeworfen, weil die Themen und Botschaften von Unternehmen für die Kommunikationspartner bedeutungslos sind. In der heutigen, reizüberfluteten Kommunikationsgesellschaft wird um Aufmerksamkeit gekämpft – um Vertrauen und Akzeptanz zu finden, brauchen PR-Manager zunächst Aufmerksamkeit für die Anliegen und Interessen der eigenen Organisation. Relevanz ist ein wichtiger Schlüssel hierzu.

„Fokussiert“ heißt, sich gezielt auf weniger Maßnahmen und Themen zu konzentrieren, um so die Wirkung zu erhöhen und Verwässerung zu vermeiden. Fokussieren heißt Konzentration auf das Wesentliche oder auf das, was am besten wirkt – auf bestimmte Kommunikationskanäle oder Formate zum Beispiel.

Suffizienz ist ein Qualitätsmerkmal in der Kommunikation

Mit Blick auf die hohe Dynamik des Kommunikationsgeschäfts bleibt zu ahnen, warum diese Kriterien leicht aus dem Blick geraten. Knapp, relevant und fokussiert zu kommunizieren, bedeutet in der Regel etwas mehr Aufwand als nicht knapp, nicht relevant, nicht fokussiert.

Dabei ist der Anspruch knapper Kommunikation besonders schwierig. Bekanntlich fällt es leichter, einen Sachverhalt ausführlich darzustellen und viele Informationen zur Meinungsbildung bereitzustellen, als dies in knapper Form zusammenzufassen. Verknappung bedeutet Festlegung auf das Wesentliche und damit Priorisierung von Informationen. Die Konzentration auf relevante Kommunikationsbotschaften und –inhalte beinhaltet ebenfalls eine Auswahl und Entscheidung.Den Kommunikationspartnern diese Entscheidung ein Stück weit abzunehmen, erleichtert aber auch deren Bewertung und Einordnung der Informationen und erhöht die Orientierung – ein Mehrwert.

Genauso verhält es sich mit fokussierter Kommunikation. Sie sorgt für mehr Klarheit, bedeutet aber auch einen Zusatzaufwand für die Kommunikationsmanager. All das macht deutlich: Der Suffizienz-Gedanke ist im modernen Kommunikationsmanagement notwendig. Auf die anderen Aspekte, Effizienz und Konsistenz in der Unternehmenskommunikation, gehe ich hier mit Verweis auf viele andere Beiträge in diesem Blog nicht ein.

Wie stellt man die Weichen für suffiziente Kommunikation und wie hilft die Due Diligence der Unternehmenskommunikation dabei?

Nochmal auf den Punkt gebracht: Wer sich um suffiziente Kommunikation bemüht, fragt: „Was ist angemessen und ausreichend, um Kommunikationsziele zu erreichen, was ist zu viel bzw. entbehrlich?“ Wie die genannten Beispiele einer ungesunden, den Communication Overload verstärkenden Entwicklung im PR-Management gezeigt haben, kann und sollte man diese Fragen in allen Praxisbereichen stellen.

Allerdings beginnt die richtige Weichenstellung bereits mit der Analyse und Planung der Kommunikation. Hierfür haben Manfred Piwinger und ich ein vereinfachtes Kommunikationsaudit vorgestellt: die Due Diligence in der Unternehmenskommunikation. Dieses Verfahren eignet sich gut, um neben Effizienz und Konsistenz auch die Suffizienz des eigenen Kommunikationsmanagements schon im Planungsprozess zu berücksichtigen. Dazu kann man einige Fragen aus dem umfangreichen Kanon anpassen bzw. neue ergänzen:

Ich verdeutliche das anhand einiger Prüfbausteine:

  • z.B. Prüfbaustein 4 „Stimmigkeit von Unternehmenskommunikation, Unternehmensmarke und Identity Management“:
    Hier wäre zu prüfen: „Was verwässert das Unternehmens- und Markenprofil?“, „Welche Merkmale des internen und externen Auftritts stehen zu dominant im Vordergrund oder gehen unter?“, „Welche CD-Regeln sind verzichtbar oder sollten angepasst werden?“
  • z.B. Prüfbaustein 5 „Kommunikationsziele und-strategien“:
    Hier wäre interessant: „Welche Darstellungsformen sind ungeeignet, um den Wertbeitrag der Kommunikation zu erhöhen?“, „Welche Kommunikationspolitiken waren bisher wichtig, sind aber beim heutigen Entwicklungsstand der PR nicht mehr relevant für das Unternehmen?“
  • z.B. Prüfbaustein 6 „Kommunikationsplanung und Kommunikationscontrolling“: Hier könnte man hinterfragen: „Welche KPIs haben ihre Bedeutung für das Unternehmen verloren und sind verzichtbar?“, „Welche neuen Kriterien zur Messung der Umsetzungsqualität in der Kommunikation sind wichtig?“
  • z.B. Prüfbaustein 7 „Kommunikationschancen und Kommunikationsrisiken“: Auch hier wäre zu fragen: „Welche Kommunikationschancen sehen wir nicht mehr?“ und „Welche Chancen müssen zwingend genutzt werden, damit die PR einen signifikanten Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg leistet?“ Entsprechend betrachtet man die Risiken.
  • z.B. Prüfbaustein 9 „Stil und inhaltliche Qualität der Kommunikation“:
    Hier reicht es nicht, zu fragen, welche inhaltlichen und stilistischen Merkmale definiert sind, sondern welche Merkmale mindestens erfüllt und dauerhaft auf dem Monitor sein müssen, um einen glaubwürdigen, einheitlichen Auftritt zu gewährleisten.
  • z.B. Prüfbaustein 10 „Resilienz und Robustheit in kritischen Situationen“: Gute kommunikative Vorbereitung auf Krisensituationen ist für Unternehmen überlebenswichtig. Aber auch hier gibt es vorbereitende Maßnahmen, die im Lauf der Zeit verzichtbar sind (weil beispielsweise schon eine hohe Sensibilisierung erreicht wurde). Zu prüfen ist aber: „Welche Informationen müssen in Krisen mindestens bekannt oder abrufbar sein?“ Das führt in der Praxis z.B.dazu, dass man umfassende Krisenhandbücher und einmal definierte Prozessabläufe in knapperer Form auf den Punkt bringt oder komplexe Handlungsanweisungen durch knappe Checklisten oder Kurzleitfäden ersetzt.

Ein Sparringspartner schärft den kritischen Blick

Wie in anderen Bereichen ist auch im Kommunikationsmanagement das Beharrungsvermögen manchmal groß. Gewohnte Aktivitäten gibt man nicht gerne auf.

Für die Durchführung der Due Diligence und für die kritische Einschätzung, in welchen Bereichen das Unternehmen in Bezug auf Ziele, Anforderungen und Wettbewerbsvergleich zu viel oder zu wenig kommuniziert, ist daher der Blick des unabhängigen Sparringspartner hilfreich. Er leitet daraus planungsrelevante Empfehlungen ab, die in der Regel zur Kurskorrektur der Kommunikation, zur Qualitätssteigerung und höherer Kosteneffizienz führen.

Fazit

Trotz Sparzwang und begrenzter Ressourcen leiden viele Unternehmen an „zu viel“ Kommunikation. Das ist genauso gefährlich wie zu wenig oder unzureichende Kommunikation.

In der Überflussgesellschaft und in Zeiten des Communication Overload ist die Aufmerksamkeit der Kommunikationspartner ein knappes Gut. Um die Wirkung der eigenen Kommunikationsaktivitäten nicht zu verwässern und schlicht aus Selbstschutz, um nämlich die steigende Arbeitsbelastung zu beherrschen, sollten Kommunikationsmanager nicht nur prüfen:

„Welche neuen Kommunikationsmaßnahmen und Impulse brauchen wir, um unsere Stakeholder zu begeistern und unsere Ziele zu erreichen?“

Ebenso wichtig ist es auch, zu hinterfragen:

„Wieviel Kommunikation ist angemessen?“, „Worauf können oder sollten wir verzichten?“

Effizienz, Konsistenz (Passgenauigkeit) und Suffizienz („Angemessenheit“) sind wichtige Qualitätskriterien moderner, nachhaltig wirkungsvoller Kommunikation.

Dafür kann und sollte man einiges tun: durch die kritische Reflexion des täglichen Kommunikationsgeschäfts sowie durch die richtigen Fragen vor und bei der Kommunikationsplanung. Das Due Diligence Verfahren (Kommunikationsaudit) hilft dabei.

Nicht zu wenig, nicht zu viel: Wie so oft im Leben, entscheidet auch im Kommunikationsgeschäft das richtige Maß über den Erfolg! Halten Sie Ihre Unternehmenskommunikation in der richtigen Balance!