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Es gibt Reflexe und Gegenreflexe. In Zeiten prominenter Lebensmittelskandale kommt beides vor: Es treten diejenigen auf die Tagesordnung, die schon immer vor der „bösen Lebensmittelwirtschaft“ gewarnt haben (die professionellen Bedenkenträger, die mit ihren Bedenken gutes Geld verdienen), und diejenigen, die schon immer anders gelebt haben und ihren Weg nun bestätigt sehen und dies laut verkünden. Ein Beispiel ist ein Interviewbeitrag auf ZEIT Online unter der Überschrift „Bio-Eier an jeder Tankstelle“ Darin denkt der Buchautor Jonathan Safran Foer („Tiere essen“) über das Vegetariertum und die Fleischindustrie nach. Er beantwortet in diesem Interview Leserfragen und regt damit wiederum eine außerordentlich umfangreiche Diskussion auf ZEIT Online an. Da stellt sich in der Tat die Frage: „Müssen wir überhaupt darüber nachdenken?“ Diese Frage habe ich auf Facebook gefunden – und sie ist berechtigt. Aber auch klar zu beantworten:

Ja, wir müssen über unseren Umgang mit Lebensmitteln und über unseren Lebensstil insgesamt nachdenken! Was wir nämlich brauchen, ist „Normalität“. Normalität im Lebensstil, um Umgang mit dem, was wir haben und konsumieren und besonders auch die normale und ehrliche Einstellung zu Essen und Lebensmitteln. Der Wert unserer Lebensmittel ist in unserer Gesellschaft, die von Massenkonsum, selbstverständlicher Verfügbarkeit und Schnäppchenwut geprägt ist, abhanden gekommen. Nicht nur der Respekt vor Tieren, der Respekt vor der Umwelt und den notwendigen Ressourcen für unseren Lebensstandard, sondern auch der Respekt vor denjenigen, die an der Wertschöpfungskette unserer Lebensmittel beteiligt sind (Händler, Food-Hersteller usw.) muss wieder gestärkt werden. Wir brauchen allgemein wieder mehr Normalität in allen Lebensbereichen. Daher sind alle Engagements, Initiativen, Publikationen etc., die zu einem reflektierten Lebensstil animieren, wichtig! Siehe dazu auch den Blogbeitrag über den Wert unserer Lebensmitteln unter https://bit.ly/gr7nVN. Wenn der Aufhänger dafür ein Reflex oder Gegenreflex auf einen Lebensmittelskandal ist: gut so! Ob man dann – in weiterer Konsequenz – Vegetarier wird, oder weil man grundsätzlich gesundheitsbewusster leben will, seinen Fleischkonsum reduziert, steht auf einem anderen Blatt. Diese Frage muss jeder für sich beantworten.

Nicht das Bekenntnis oder die offensive Haltung als Vegetarier, sondern das Bekenntnis zu einem natürlichen, reflektierten Lebensstil ist das, worauf es ankommt. Glaubwürdig ist dies aber nur, wenn unser Nachdenken über den eigenen Lebens- und Konsumstil auch über den Horizont des jeweils aktuellen Foodskandals hinaus anhält. Glaubwürdig ist es zudem auch nur, wenn man einseitige und extreme Sichtweisen vermeidet und nicht von einem Extrem ins andere verfällt. Auch dieser Reflex ist nämlich häufig zu beobachten. Da werden dann begeisterte Fleischesser über Nacht zu „militanten“ Vegetariern. Mit Augenmaß zu leben, nur das kann die Konsequenz von Lebensmittelskandalen und der umfänglichen Diskussionen darüber sein.

Wen das Thema interessiert, der kann sich einer Diskussionsgruppe in der Online Community der Lebensmittel-Zeitung (LZCommunity) anschließen. Anmeldung ist kostenlos möglich. Im Fokus die Frage: Wir können wir zum nachhaltigen positiven Nachdenken über Lebensmitttel beitragen. Siehe https://community.lebensmittelzeitung.net/.

In diesem Sinne bleibt festzuhalten: Ja, wir müssen über unsere Lebensmittel nachdenken – konsequent – im Interesse der Glaubwürdigkeit unseres Lebensstils. So werden wir auch unserer Verantwortung als Verbraucher gerecht. Auf lange Sicht wird dann übrigens auch wieder unser Vertrauen in die Lebensmittelwirtschaft und die Lebensmittelbehörden wachsen.