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Hinweis: Eine aktualisierte Version dieses Beitrags findet sich im Buch „Glaubwürdig kommunizieren“ von Wolfgang Griepentrog.

Nachhaltigkeit: Der Begriff ist in aller Munde und wird fast schon inflationär gebraucht. Wer würde sich heute nicht eine nachhaltige und in umfassendem Sinne verantwortungsbewusste Unternehmensführung auf die Fahnen schreiben? Ob die Unternehmen in der Praxis diesen Anspruch immer effizient umsetzen, ist jedoch fraglich. „In zehn Jahren hat sich mehr verändert, als oft wahrgenommen wird – aber noch zu wenig, als für einen Übergang in die ressourcensparende und klimaneutrale Gesellschaft nötig ist“, bilanziert Marlehn Thieme, Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung.

Trotz der Fülle von Projekten, Initiativen und Berichten zur Nachhaltigkeit von Unternehmen lautet die zentrale Frage: Geht das Engagement immer in die richtige Richtung? Machen wir das Richtige richtig oder konzentrieren wir uns nicht oft mit Leidenschaft und Einsatz auf die falschen Dinge? Wie können Unternehmen in der Praxis ihr Geschäft noch besser und wirkungsvoller auf Nachhaltigkeit ausrichten? Für die Glaubwürdigkeit und Reputation von Unternehmen ist Nachhaltigkeit immer wichtiger, daher wollen wir hier einige Erfolgsfaktoren skizzieren.

Eigentlich ist Nachhaltigkeit nichts Neues, sondern seit jeher Anspruch eines Ehrbaren Kaufmanns und einer verantwortungsbewussten, auf langfristige Profitabilität ausgerichteten Unternehmensführung. Heute wird sie immer mehr eingefordert oder erwartet. Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter, aber auch Medien und öffentliche Meinungsmacher sind kritischer geworden. Die Prozessqualität entlang der Wertschöpfungskette wird ihnen immer wichtiger und sie wird zunehmend skeptisch hinterfragt. Es reicht längst nicht mehr, nur gute Produkte und Dienstleistungen preisgünstig anzubieten. Wer heute wetterfeste Beziehungen zu Kunden und Stakeholdern aufbauen will, muss mehr tun: er muss seine Unternehmenskompetenzen so nutzen, dass alle Zielgruppen im Umfeld des Unternehmens davon profitieren und dass auch ökologische und soziale Belange konsequent berücksichtigt werden.

„Shared Value“ = „gemeinsame Wertschöpfung“ nennt dies der amerikanische Managementvordenker Michael Porter. Er führt damit zwar keine neue Perspektive in die Diskussion ein, bringt aber mit diesem Begriff genau das auf den Punkt, was der Anspruch nachhaltigen, verantwortungsbewussten Management ist und was hierzulande mit dem Begriff der „Corporate Social Responsibility“, kurz „CSR“ nur schwammig beschrieben (und verstanden) wird: unternehmerisch-verantwortungsbewusstes Handeln mit einem 360°-Blick auf die Bedürfnisse und Erwartungen aller Zielgruppen.

„Shared Value“ zwingt die Wirtschaft heute zu einem neuen, noch umfassenderen Qualitätsverständnis in sämtlichen Unternehmensbereichen, vom Produkt bis zur Kundenbetreuung, vom vernetzten Zusammenspiel der Mitarbeiter bis hin zur lernenden, optimierten Hochleistungsorganisation. Es gilt, die Unternehmenstätigkeit so zu organisieren, dass sie vielfältigen Nutzen stiftet und Wertschöpfung nicht auf Kosten anderer erreicht. Alibimaßnahmen für die Umwelt oder großzügiges Mäzenatentum reichen dabei nicht aus, vielmehr geht es um die ganzheitliche und verantwortungsbewusste Gestaltung von Prozessen und Abläufen als Weichenstellung für den langfristigen Geschäftserfolg. Eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsperformance stärkt die Akzeptanz am Markt und die Reputation; sie macht Unternehmen widerstandsfähig in Krisen und Veränderungsprozessen, sie ist der beste Schutz vor Reputations-Risiken und Grundlage für langfristiges, profitables Wachstum.

Darüber ist schon viel geschrieben und gesprochen  worden. Warum bleibt Nachhaltigkeit trotzdem oft ein Lippenbekenntnis? Jedes Jahr setzen internationale Konzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen Milliardenbeträge in den Sand durch Managementprozesse, die Schwächen in der Prozesskette nicht verhindern, die Risiken nicht erkennen oder berücksichtigen, aber auch durch Nachhaltigkeitsengagements, deren Sinn weder Kunden noch Mitarbeiter verstehen und deren Imagewirkung folglich ins Leere läuft. So praktiziert beispielsweise ein führendes deutsches Bankinstitut ein beeindruckendes Corporate Volunteering Programm, bei dem sich jeder Mitarbeiter mehrere Tage im Jahr für soziale Einrichtungen engagiert und das die Verantwortung als nachhaltiges Unternehmen demonstrieren soll. Diese großzügige, soziale Unterstützung wird zwar gern angenommen und schärft gewiss das Image im lokalen Bereich, aber Kunden und Öffentlichkeit erkennen nicht wirklich den strategischen Sinn dieser Initiativen und die Bedeutung für das Geschäft.

Das beste Bemühen um ein nachhaltiges Unternehmensprofil nützt freilich wenig, wenn die Kunden dies nicht verstehen und es keinem erkennbaren roten Faden folgt.

Selbst Branchen wie der Lebensmitteleinzelhandel, die Nachhaltigkeit als Leitthema erkannt haben und dem Trend zum reflektierten Konsum Rechnung tragen, tun sich schwer damit, den Kunden ihre Nachhaltigkeitsphilosophie erlebbar zu machen. Ihre Aktivitäten werden als marketinggetriebene Profilierungsmaßnahmen (was sie ja auch sind) kaum gewürdigt. Geschweige denn, dass die Kunden bereit wären, Nachhaltigkeit angemessen zu bezahlen.

Der Kern des Problems liegt in der Regel die fehlende Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit eine strategische und kulturelle Herausforderung bedeutet. Es lohnt sich daher, stets die folgenden Aspekte im Blick zu behalten:

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren professionellen Nachhaltigkeitsmanagements

  1. „Nachhaltigkeit wollen“ – eine Frage der Haltung: Eine nachhaltige Unternehmenspraxis erfordert ein auf Nachhaltigkeit programmierte Unternehmenskultur. Die am Shared Value  orientierte Praxis ist untrennbar mit einer unternehmensweiten ethischen Haltung verbunden, die Vertrauen und Wertschätzung über kurzfristiges Profitabilitätsdenken stellt. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Nachhaltigkeit muss und will der Profitabilität und dem Unternehmenserfolg dienen, sie muss dies aber langfristig tun! Das klingt leichter als es ist, denn der Konflikt zwischen Ethik und kurzfristigen Interessen ist überall in der Wirtschaft und in der Gesellschaft gegenwärtig. Oft sind hoher Kosten- und Wettbewerbsdruck die Ursache. So kommt es, dass manche Top-Manager den raschen Vorteil oder einzelne Stakeholderinteressen höher gewichten als die Gesamtverantwortung des Unternehmens in der Gesellschaft und seine Reputation. Nachhaltigkeit muss als Haltung in den Unternehmensprinzipien (Leitbild) und -strategien verbindlich verankert und vom Management vorgelebt werden.
  2.  „Nachhaltigkeit verstehen und planen“ – Zusammenhänge erkennen und  Ziele setzen: Nachhaltigkeit erfordert Verständnis. Es geht um eine komplexe Herausforderung, die eine sichere Analyse und die Definition der richtigen Ziele und Meilensteine erfordert. Welche Themen, welche Unternehmensbereiche sind aus der spezifischen Sicht meines Unternehmens für eine nachhaltige Geschäftspraxis besonders relevant? Welche Fortschritte sollen wir anstreben? Wie gehen wir konkret vor? Wie vermeiden wir unzusammenhängende Einzelmaßnahmen? Wie entwickeln wir einen Plan bzw. ein schlüssiges Konzept mit spürbarem Mehrwert für alle externen und internen Zielgruppen und Stakeholder? Unternehmen, denen es gelingt, diese Frage zu beantworten, können mit der nachhaltigen Ausrichtung ihres Business hervorragend ihre strategische Kompetenz demonstrieren.
  3. „Nachhaltigkeit konsequent realisieren“ – professionelles Nachhaltigkeitsmanagement muss die gesamte Prozesskette erfassen: Die notwendige 360°-Betrachtung erfordert den Mut, die Bereitschaft und die Fähigkeit, nicht nur bereichsübergreifend zu denken, sondern auch zu handeln. In diesem Sinne müssen alle Stufen und Einflussfaktoren der Prozesskette immer wieder auf den Prüfstand gestellt und verbessert werden. Damit Fortschritte gemessen und kommuniziert werden können, muss jedes Unternehmen seine spezifischen Kennzahlen (KPIs) festlegen. Schließlich schafft nur die messbare und damit nachvollziehbare Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei Kunden, in der Öffentlichkeit und bei den Mitarbeitern.
  4. „Nachhaltigkeit vorbereiten“ – eine Frage der Infrastruktur: Effizientes Nachhaltigkeitsmanagement erfordert klare Zuständigkeiten und Ressourcen, mit anderen Worten: eine feste organisatorische Verankerung im Unternehmen (in gleicher Weise wie beispielsweise auch glaubwürdige PR eine entsprechende Infrastruktur erfordert). Oft sind Flexibilität und rasche Managemententscheidungen gefragt, um die Prozessabläufe effizient und nachhaltig zu organisieren und unternehmensweit bei Mitarbeitern, Führungskräften und Geschäftspartnern ein Nachhaltigkeitsbewusstsein zu etablieren. Die Belange der Nachhaltigkeit brauchen daher Stimme und Einfluss. Auch Verstöße gegen Nachhaltigkeitsprinzipien – und unter Umständen auch reputationskritische Managemententscheidungen – müssen intern aufgezeigt und diskutiert werden. Zurecht haben viele Unternehmen heute die Position des Nachhaltigkeitsmanagers weit oben im Verantwortungsbereich des Top-Managements angesiedelt. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Verbindlichkeit des Nachhaltigkeitsanspruchs intern und extern zu gewährleisten.

Ein Beispiel aus der Praxis:
Nachhaltigkeit im Krankenhausmanagement

Der Strukturwandel im Gesundheitswesen zwingt heute zu weitreichenden Konsequenzen im Krankenhausmanagement. Dabei ist der Zusammenhang zwischen einer partnerschaftlichen, nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenskultur und dem wirtschaftlichem Erfolg von Krankenhäusern evident und es gilt, dieses Potenzial durch eine Neuausrichtung der Prozesse mit neuen, abteilungs- und ggf. klinikübergreifenden Kooperationsformen zu nutzen. Dabei müssen alle Krankenhausaktivitäten zum einen noch stärker auf den Patienten fokussiert werden, der letztlich die wirtschaftliche Basis der Einrichtung gewährleistet, und zum anderen noch stärker auf die Mitarbeiter. Sie müssen sich als Teil eines ganzheitlichen Behandlungs- und Betreuungsprozesses verstehen und über ihr eigenes, eng definiertes Aufgabenfeld hinaus die vielfältigen Auswirkungen auf das Patientenwohl und auf das Wettbewerbsprofil des Krankenhauses insgesamt berücksichtigen.

  • Der Leitgedanke der gemeinsamen Wertschöpfung, das Shared Value-Prinzip sollte das prägende Kulturmerkmal einer modernen, nachhaltigen Krankenhauskultur sein.
  • Dazu braucht es das, was selbst bei wirtschaftlich unter Druck stehenden Krankenhausorganisationen nicht selbstverständlich ist: einen klaren Plan mit verbindlichen Zielen, die nicht nur Cost Cutting und Profitmaximierung, sondern das effiziente Zusammenwirken aller Beteiligten – Ärzte, Pflegepersonal, Einweiser und Partner, aber auch Patienten – in den Fokus rücken.
  • Nachhaltigkeit ist das Leitmotiv bei Prozessverbesserungen. Dass im Krankenhausmanagement allerorten erhebliche Potenziale für Verbesserungen der Organisations- und Ablaufprozesse nicht ausgeschöpft sind, zeigen die umfangreichen Restrukturierungsprojekte, die das Bild der Branche prägen. Es ist eine Branche im Wandel, die immer mehr erkennt, dass nachhaltiges (und damit nachhaltig erfolgreiches) Krankenhausmanagement lernende, vernetzt denkende Organisationen erfordert. Deswegen ist auch die enge Einbindung der Mitarbeiter bei Prozessverbesserungen und die verbindliche Orientierung an einem tragfähigen Leitbild notwendig. Nur so kann die nachhaltige Ausrichtung der gesamten Prozesskette im Krankenhausmanagement erreicht werden.
  • Eine optimierte Infrastruktur erleichtert nicht nur die Arbeit im Krankenhausbereich, sie macht es auch der Klinikleitung einfacher, die fachlichen, wirtschaftlichen und markenrelevanten Dimensionen der Unternehmensführung im Einklang zu halten. Wenn Nachhaltigkeit zum Markenkern und zum Wettbewerbsprofil des Krankenhauses zählt, muss sich dies auch in der Infrastruktur widerspiegeln.

Machen Sie das Richtige richtig gut! Vermeiden Sie Marketing-Aktionismus und treten Sie in einen tiefen Dialog mit den Stakeholdern!

Es wird Zeit, dass Unternehmen Nachhaltigkeit neu denken. Das erfordert die richtige Weichenstellung und die Konzentration auf die richtigen Aktivitäten. Der Social Media Experte Mirko Lange hat kürzlich formuliert: „Es gibt keine größere Verschwendung als das Falsche richtig gut zu machen.“ So könnte man auch die Nachhaltigkeitspraxis vieler Unternehmen beschreiben: Es gibt viel Bemühen und Aktivität, aber oft geht es am Kern vorbei. Es ist nicht immer einfach und erfordert Mut, das Prozessmanagement in allen Stufen mit dem Anspruch eines glaubwürdigen Nachhaltigkeitsmanagements zu verbinden. Unternehmen brauchen dafür auch die geeigneten Partner auf Beratungsseite, die Anspruch und Realität kritisch reflektieren. Klassische Agenturen können das kaum leisten; hier ist vielmehr ein werteorientierter Beratungsansatz hilfreich, der die Zusammenhänge der Unternehmenstätigkeit aus dem 360°-Winkel beleuchtet und daraus die richtigen Strategien und Maßnahmen ableitet.

Nachhaltigkeit können Unternehmen nicht alleine, sondern nur zusammen mit ihren Stakeholdern erreichen:

  • mit den Geschäftspartnern, die sich Nachhaltigkeitsstandards zu eigen machen,
  • mit den Medien und Multiplikatoren, die die Fortschritte in der Prozesskette erkennen und würdigen,
  • mit den Kunden, die all das nicht nur für selbstverständlich halten, sondern das Verantwortungsbewusstsein spüren und durch eigenes Verhalten unterstützen,
  • mit den Mitarbeitern, die Ihre Verantwortung für die nachhaltige Gestaltung der Prozesskette kennen und beachten.

Deswegen darf sich die Nachhaltigkeitskommunikation der Unternehmen nicht auf die einseitige Präsentation von Aktivitäten beschränken. Sie erfordert den kontinuierlichen, tiefen, umfassenden, kritischen Dialog mit den Stakeholdern über alle Kanäle. So kann nicht nur der nachhaltige Verhaltenswandel in der Gesellschaft gefördert werden, es wird auch neues Verständnis von Qualität in allen Bereichen der Wertschöpfungskette möglich und spürbar – und dies zahlt sich für alle aus, ganz besonders für die Unternehmen.

Fazit

Nachhaltigkeit bleibt das große Zukunftsthema, das die Unternehmen ebenso wie ihre Stakeholder betrifft. Wir brauchen weniger Beliebigkeit und Marketingorientierung, dafür mehr Konzentration auf die wesentlichen Erfolgsfaktoren:

  1. Nachhaltigkeit muss fest in der Unternehmenskultur verankert sein.
  2. Es muss unternehmensweit ein Verständnis für Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Prozesskette geben.
  3. Ein bisschen Nachhaltigkeit gibt es nicht. Vielmehr ist es ein Anspruch, der konsequent entlang der gesamten Prozesskette realisiert und mit verbindlichen Kennzahlen unterlegt werden muss.
  4. Nachhaltigkeit braucht eine organisatorische Verankerung im Unternehmen und eine effiziente Infrastruktur.
  5. Nachhaltigkeit gelingt nur zusammen mit den Stakholdern.

Eine Orientierung an diesen Aspekten kann die Nachhaltigkeitsbemühungen der Unternehmen und damit ihre Glaubwürdigkeit beflügeln. Denken Sie um! Stellen Sie die Weichen für ein wirklich effizientes und wirkungsvolles Nachhaltigkeitsmanagement neu!