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Versicherer unter Profilierungs- und Veränderungsdruck

Die Lage der Versicherer in Deutschland und der Versicherungsbranche insgesamt ist ambivalent. Einerseits haben sie als unverzichtbarer Teil des täglichen Lebens von Privatkunden und als Partner der gewerblichen Kunden eine enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung. Diese wächst noch vor dem Hintergrund der Identitätskrise, in die viele Banken auf der Suche nach zukunftsfähigen Geschäftsmodellen geraten sind. So lösen die Assekuranzen die Banken ein Stück weit als stabile Säule und Impulsgeber des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts in Deutschland ab. Andererseits entspricht das öffentliche Profil der Versicherungsbranche nicht ihrer Bedeutung. Dass der gesellschaftliche Wertbeitrag der Assekuranz wahrgenommen und geschätzt würde, ist nicht zu erkennen.

Das allerdings ist problematisch: Wenn die öffentliche Wahrnehmung und die tatsächliche Bedeutung stark abweichen, bedeutet das eine Einschränkung von Handlungsspielräumen. Umgekehrt formuliert: Mit einem starken, glaubwürdigen Kommunikationsprofil fällt es Unternehmen und Brancheninstitutionen leichter, mit den eigenen Anliegen öffentlich Gehör und Akzeptanz zu finden, unternehmerische Ziele zu erreichen und die Zukunft zu gestalten. Vor genau dieser Herausforderung stehen Versicherer.

Die Entwicklungs- und Modernisierungsprozesse einzelner Branchen lassen sich vergleichen. Daraus kann man Schlüsse ziehen und Anregungen ableiten. So lässt sich die Situation der Versicherer gut mit der Situation des Handels gleich setzen. Dieser hat auf vergleichbarer Startbasis vor 10 bis 15 Jahren einen Modernisierungs- und Profilierungsprozess erlebt – vom intransparenten preisorientierten Verkäufer-Image zum angesehenen Impulsgeber in Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Entwicklung hat den Handel auf Augenhöhe mit anderen Branchen gebracht, die ihren gesellschaftlichen Wertbeitrag seit langem erfolgreich zu vermitteln wissen.

Wir möchten hier auf Basis eines Vergleichs zwischen Handel und Assekuranz einen kommunikativen Modernisierungsprozess der Versicherungsbranche anregen, damit die Unternehmen ihr facettenreiches Profil in der öffentlichen Wahrnehmung schärfen und ihren bedeutenden Wertbeitrag in Wirtschaft und Gesellschaft besser vermitteln. Dabei haben wir folgende Leitfragen im Hinterkopf:

  • Wie ist die Ausgangssituation jeweils zu bewerten?
  • Welche Erfahrungen und Aspekte sind übertragbar?
  • Welche strategischen Ansätze kann man mit Blick auf die Kommunikation daraus ableiten?
  • Was sollte konkret getan werden?

Handel und Versicherungen im Vergleich

1.) Der Profilierungs- und Modernisierungsprozess im Handel am Beispiel der Metro Group

Diffuse Ausgangslage

Starke und erfolgreiche Vertriebsmarken gab es seit jeher im Handel, aber die dazugehörigen Handelsunternehmen und die Handelsbranche insgesamt hatten bis 2001 ein weitgehend diffuses Profil in der Öffentlichkeit, in den Medien und der Politik. Die Retail Brands beherrschten mit aufmerksamkeitsstarkem Marketing die öffentliche Wahrnehmung und das Bild beim Kunden. Ihre Kommunikation war auf das Angebot am POS ausgerichtet. Der bedeutende gesellschaftliche und wirtschaftliche Leistungsbeitrag der Unternehmen, ihre komplexen und ständig verbesserten Wertschöpfungsketten und die spannenden Entwicklungprozesse im Handel waren jedoch weitgehend unbekannt. So genossen die Retail Brands zwar eine hohe, durch Angebot, Preis und Qualität geprägte Akzeptanz bei den Verbrauchern, konnten aber nicht die vielfältigen Facetten und Leistungsmerkmale der Unternehmensprofile abbilden. Der Fokus war eng; das Wissen über die Handelsbranche war gering. So wussten beispielsweise nur wenige Wirtschaftsjournalisten, in welchem Umfang der Handel zur Bruttowertschöpfung in Deutschland beiträgt, wie der Markt strukturiert ist, welche Marken überhaupt zu welchen Unternehmen gehören und was die unterschiedlichen Vertriebskonzepte im Handel auszeichnet.

Das auf wenige Aspekte reduzierte öffentliche Bild des Handels war außerdem nicht positiv, sondern eher von Skepsis getragen. Wie so oft im Leben korrelierten auch hier fehlendes Wissen und Skepsis bzw. Ablehnung miteinander. Handel als People Business, als elementarer Teil des Verbraucheralltags, als faszinierender Wirtschaftszweig? Damals Fehlanzeige!

Ziel war es, das Kompetenz- und Leistungsprofil des Unternehmens und darüber den Handel als eine spannende Branche insgesamt bekannt zu machen und ein positives Grundrauschen für den Handel zu erreichen – eine hohe öffentliche Wertschätzung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wertbeitrags. Nur mit einem solchen positiven Grundrauschen finden Unternehmen mit den eigenen Anliegen und Interessen Gehör und steigern auch ihre Attraktivität im Arbeitsmarkt.

Systematische Erweiterung des Kommunikationsprofils:
gut für Unternehmen und Branche

Auf dieser Grundlage, sozusagen vom Nullpunkt beginnend, startete der Metro-Konzern als damals bedeutendstes Branchenunternehmen 2001/2002 einen Prozess der Profilierung, der über mehrere Jahre hinweg realisiert und weiterentwickelt wurde. Mit einem strategisch ausgerichteten Kommunikationsauftritt gelang es, das eigene Konzernprofil intern wie extern, aber darüber hinaus auch das Profil der Handelsbranche deutlich zu schärfen. Infolgedessen konnte der unternehmens- und branchenpolitische Handlungsspielraum in wichtigen Themen- und Aktionsfeldern erhöht werden.

Dieser Prozess erfolgte, grob skizziert, in drei Phasen:

  1. In den ersten Jahren ging es darum, Bekanntheit und Sympathie für das Unternehmen aufzubauen. Die Unternehmensmarke („Metro Group“ als Konzernmarke) wurde entwickelt und die wichtigsten Elemente des Markenprofils intensiv kommuniziert (beispielsweise die Kompetenz in der internationalen Expansion von Vertriebskonzepten). Die Herausforderung lag in dieser Phase darin, einen nachhaltigen positiven Imagewandel (für das Unternehmen und für die Branche) zu erreichen. Wurden die großen Handelsunternehmen bis dahin eher als undurchschaubare und emotional wenig ansprechende Unternehmenskonglomerate wahrgenommen, sollte der Konzern künftig mit einem differenzierten Profil positiv erlebt werden und seine Kompetenzfelder verstanden werden. Die Entwicklung führte vom „Hidden Champion“ (vor allem Weltmarktführer im Cash & Carry-Segment) zum akzeptierten und geschätzten Impulsgeber des internationalen Handels. Erreicht wurde dies u.a. durch umfassendes und konsequentes Themensetting in Verbindung mit aufmerksamkeitsstarken Kampagnen, die sich auf wenige, aber klare, stakeholderorientierte Botschaften konzentrierten. So gelang es, das Unternehmen als sympathisch, spannend und interessant im „Relevant Set“ von Medien, Politik und Multiplikatoren zu verankern.
  2. In den darauf folgenden Jahren, der „erweiterten“ Profilbildungsphase ging es darum, das erreichte Unternehmens- und Kommunikationsprofil zu konsolidieren und auszubauen. Wachstum, Internationalisierung, technologischer Fortschritt, aber auch die damit zusammenhängende wachsende Komplexität von Themen erforderten Anpassungen der Kommunikationsstrategie. Wie in anderen Branchen machte man auch im Handel die Erfahrung, dass es mit wachsender Größe und Bedeutung schwieriger wird, einen dynamischen Modernisierungs- und Entwicklungskurs auf Dauer in gleichem Tempo fortzusetzen. Außerdem rufen Größe und gesellschaftliche Relevanz auch neue Akteure (z.B. besondere Interessengruppen) auf den Plan. Für die Metro war es in dieser Phase wichtig, ihre Rolle als Impulsgeber anhand konkreter Projekte deutlich zu machen und so beispielsweise ihre Innovationsdynamik und den konkreten Nutzen von technischen Innovationen für den Handel zu vermitteln. Im Rahmen der einer unternehmensübergreifenden Technologie-Initiative, der „Metro Group Future Store Initiative“, konnte sie andere Unternehmen und Partnerbranchen des Handels einbinden und dabei auch die Rolle des Handels als Treiber von gesellschaftsrelevanten Entwicklungen aufzeigen. Der Erfolg war eine weitere Steigerung von Wahrnehmung, Vertrauen, Akzeptanz und Wertschätzung bei allen Stakeholdern.
  3. Die darauf folgende dritte Phase der Profilierung sollte noch stärker die Positionierung des Unternehmens als (internationaler) geachteter und glaubwürdiger Meinungs- und Themenführer in relevanten Themen- und Profilfeldern unterstreichen. Die Herausforderung: Wie baut man sein Profil unter sich permanent veränderten Rahmenbedingungen weiter aus und begeistert Menschen, wenn man bereits eine mehrjährige erfolgreiche Entwicklung hinter sich hat? In dieser Phase gelang es, erfolgskritische und gesellschaftsrelevante Themen des Handels z. B. rund um Demografie, Gesundheit, Europa und Arbeitsmarkt zu identifizieren und für die weitere Unternehmensprofilierung zu erschließen und in allen (neuen) relevanten Kommunikationskanälen Akzente zu setzen.

Von dieser Entwicklung haben auch andere Handelsunternehmen profitiert, weil sie sich in den verbreiterten Dialog einbringen konnten. Positive Abstrahleffekte zeigten sich auch auf Ebene der Handelsverbände, die zu dieser Zeit ebenfalls begannen, ihre Kommunikationsaktivitäten zu erweitern und zu professionalisieren.

Nachhalte Profilierung des Handels als Blaupause für die Assekuranz?

Dieser Abriss zeigt, wie im Handel der Prozess der Profilierung und Modernisierung systematisch gestaltet und dadurch auch eine differenzierte Wahrnehmung und erhöhte Glaubwürdigkeit als verantwortungsbewusster und leistungsfähriger Impulsgeber für Wirtschaft und Gesellschaft erreicht wurde. Die Metro war damals Vorreiter, aber die anderen großen Handelskonzerne haben entsprechende Entwicklungen vollzogen und ihre individuellen Profile innerhalb weniger Jahre fest im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Unternehmen wie Rewe und Edeka zum Beispiel werden heute ebenfalls nicht nur als Händler, sondern als offene und engagierte Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft wahrgenommen. Dass der hier skizzierte Prozess nichts mit „Imagepolitur“ oder raffiniertem Marketing zu tun hat, sondern einen nachhaltigen und substanziellen Weg hin zu einer zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Unternehmens- und Branchenentwicklung darstellt, kann man heute in den vielfältigen Kommunikationsangeboten des Handels erleben, beispielsweise durch Teilnahme an der „Mittwochsgesellschaft“ der Metro Group.

Vergleicht man den Profilierungs- und Modernisierungsprozess des Handels mit der Situation der Versicherungsbranche, sind mögliche strategische Optionen für die Assekuranz auf Anhieb erkennbar. Die Versicherungsbranche könnte einen vergleichbaren Weg wie der Handel einschlagen.

2.) Bisherige Profilierungs- und Modernisierungsschritte in der Versicherungsbranche

Wie früher der Handel gibt die Assekuranz heute ein unüberschaubares und eher verwirrendes Bild ab. Die bekannten Versicherungsmarken dominieren die Wahrnehmung mit primär werblichen Botschaften. Ähnlich wie damals im Handel sind die Auftritte und die Leistungsprofile der Versicherungskonzerne, unter deren Dach die Markenviefalt gebündelt ist, in der öffentlichen Wahrnehmung größtenteils schwach differenziert. Im Gegensatz zur positiven Wahrnehmung der Vertriebsmarken ist der Auftritt der entsprechenden Unternehmensmarken und der Branche (nach heutigem Maßstab) insgesamt nicht optimal entwickelt.

Wir wollen an dieser Stelle nicht die verschiedenen Markenprofile analysieren, sondern das Augenmerk auf das Profil der Gesamtbranche richten, um von da aus zu überlegen, welche strategischen Möglichkeiten zur besseren Positionierung und Profilierung sich für die einzelnen Player ergeben.

Trotz ihrer Bedeutung und ihrer umfangreichen Leistungen ist das Bild der Assekuranz in den Medien und der Öffentlichkeit (das sogenannte „Fernbild“) überwiegend negativ. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise steht die Versicherungswirtschaft nahezu permanent in der Kritik. Die Vorwürfe sind vielfältig: mangelnde Renditen, hohe Kosten und ein veraltetes Geschäftsmodell – so lauten sie. Aber auch Falschberatung, Leistungsverzögerungen im Schadenfall oder Intransparenz werden ihr vorgeworfen. Die öffentliche wie mediale Schelte schlägt sich auch in den Zahlen zum Vertrauen nieder: Eine repräsentative Umfrage der GfK Marktforschung ergab, dass lediglich 13 Prozent der Befragten noch volles Vertrauen in Versicherungen haben.

Dieser Befund steht in einem bemerkenswerten Widerspruch zum teils umfangreich dokumentierten Nachhaltigkeitsengagement der Unternehmen, das Ausweis von gesellschaftlicher Verbundenheit sein sollte. Anspruch und Wahrnehmung, reales Leistungsprofil und tatsächliche Wertschätzung des Leistungsbeitrags der Versicherer klaffen auseinander.

Der Hauptgrund lässt sich so auf den Punkt bringen: Die Leistungen der Versicherer werden in der Öffentlichkeit kaum thematisiert und ihr Umfang ist nur wenigen Bürgern bekannt. Dass eine leistungsfähige Versicherungswirtschaft (ebenso wie leistungsstarke Handelsformate) das Rückgrat der Gesellschaft sowie einer funktionierenden Wirtschaftsinfrastruktur ist, dieser Bedeutung ist sich kaum jemand bewusst. Unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft wären ohne die Leistungen der Assekuranz kaum vorstellbar.

Versicherer übernehmen zum Beispiel einen Großteil der finanziellen Versorgung im Alter und sichern gleichzeitig zahlreiche private Risiken ab. Viele Geschäftsmodelle von Firmen sind überhaupt nur realisierbar, weil Versicherungen die Risiken übernehmen. Und last but not least ist die Assekuranz mit rund einer halben Million Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber.

Bis heute ist es zwar einzelnen Unternehmen im Ansatz, nicht aber der Assekuranz insgesamt gelungen, den Radius der Kommunikation angemessen zu erweitern, um den eigenen Wert- und Leistungsbeitrag selbstbewusst und nachhaltig im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. Im Gegenteil: Versicherer treten in der Öffentlichkeitsarbeit überwiegend defensiv und zurückhaltend auf.

Gleichzeitig bräuchte die Assekuranz gerade heute starken Rückenwind und erweiterte Handlungsspielräume, denn sie steht vor bedeutenden Herausforderungen. Sie zu meistern, ist für etablierte Versicherer nicht nur mit einem erheblichen Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwand verbunden, ein Scheitern kann auch zu unternehmenspolitischen Risiken führen. Wer sie hingegen als Chance begreift und meistert, kann sich besser positionieren und das eigene Image verbessern. Hier einige Beispiele im Überblick, mit welchen Herausforderungen Versicherer heute konfrontiert sind:

  1. Makroökonomisches Umfeld: Die politisch erzeugte Niedrigzinsphase macht das Kernprodukt der Branche, die Lebensversicherung, zunehmend unattraktiv. Da von einer weiter andauernden Niedrigzinsphase auszugehen ist, sind Versicherer gefordert, Alternativprodukte zu entwickeln.
  2. Regulierung: Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), Zinszusatzreserve, Solvency II: Die regulatorischen Vorschriften werden kontinuierlich verschärft. Damit wird der Handlungsspielraum für die Unternehmen enger, die Möglichkeiten der Differenzierung und der Weiterentwicklung weniger. Auch dieses zwingt Versicherer zu Produktinnovationen.
  3. Digitalisierung:Als Megatrend hat die Digitalisierung für Strategien, Geschäftsmodelle, Produktgestaltung, Vertrieb, Marketing und Kundenkommunikation spürbare Folgen.Versicherer müssen zum einen ihre IT-Systeme überarbeiten und so aufzustellen, dass sie digital-affine Kunden umfassend bedienen können. Gleichzeitig müssen sie ihre Mitarbeiter für das Thema Digitalisierung sensibilisieren, so dass diese offen für technische Neuerungen sind und die Veränderungen mitgehen.
  4. Verändertes Kundenverhalten: Versicherungskunden werden anspruchsvoller und wechselwilliger. Zudem können sie sich über Social Media unkompliziert und schnell über Versicherer und deren Produkte kritisch informieren bzw. austauschen. Entsprechend sind Versicherer gefordert, stärker in den Dialog mit den Kunden zu treten um deren Wünsche/Anspreche zu erfahren und umzusetzen.
  5. Wettbewerbsdruck: Branchenfremde Unternehmen wie Google oder Apple treten in den Markt der Versicherungen ein und verstärken den Konkurrenzdruck. Versicherer müssen diesen Trend mitgehen (siehe Stichwort Digitalisierung), gleichzeitig aber auch ihre Kernwerte wie langjährige Erfahrung, Größe und Sicherheit stärken und sich hierüber von branchenfremden Wettbewerben abgrenzen.

Versicherungen brauchen eine angemessene öffentliche Wahrnehmung

Der Ausgangspunkt der Assekuranz ist vergleichbar mit der beschriebenen früheren Situation im Handel. Eine wirkungsvollere Positionierung mit einem klaren, modernen Profil ist notwendig. Die etablierten Versicherer sind hierbei gefordert, ihre Geschäftsmodell entsprechend den Herausforderungen anzupassen und sich in der Öffentlichkeit klar zu den Veränderungen, die sie erfolgreich gemeistert haben und künftig meistern wollen, zu positionieren. Die konsequente Erweiterung des Kommunikationsprofils ist dabei nur eine Seite der Medaille. Um nicht nur das Image, sondern die Reputation zu verbessern, sind innovative strategische und operative Ansätze auf der Leistungsebene erforderlich. Aber nur wenn diese auch öffentlich in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft sowie bei den Kunden wahrgenommen werden, kann die Assekuranz profitieren.

SWOT-Analysen zeigen die Notwendigkeit der strategischen Profilierung

Die Analyse von Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zum einen aus damaliger Handelsperspektive und zum anderen aus der heutigen Sicht auf die Versicherungsbranche zeigt, warum eine konsequente strategische Profilierung im Interesse der Unternehmen und der Branchen lagen bzw. liegen. Die Versicherungsbranche ist aus Kommunikationssicht ein attraktives, spannendes und gesellschaftsrelevantes Metier mit viel Kommunikationspotenzial, das längst nicht erschlossen ist. Dies ist eine Chance. Entsprechend ihrer großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung sollte sich die Assekuranz stärker bemühen, den viefältigen Wertbeitrag von Versicherungen gut zu kommunizieren.

Stärken/Schwächen/Chancen/Risiken-Profil der Handelskommunikation zu Beginn der Professionalisierungsphase

Stärken:

  • Handelsthemen haben hohe Relevanz wegen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung des Handels
  • Bekannte Retail Brands bieten Anknüpfungspunkte für Corporate Marketing
  • Gute kommunizierbare Profilmerkmale des Handels entlang einer eindrucksvollen Wertschöpfungskette
  • Innovationsstärke erlebbar mit starken Konzepten (z.B. Internationalisierung, Advanced Retailing, QS, Logistik …)
  • Klare, langfristige Unternehmensstrategien und klare Unternehmenswerte

Schwächen:

  • Öffentliche Wahrnehmung negativ; Bild des Handels intransparent, fraktal und nicht emotional ansprechend
  • Kompetenzen und Bedeutung der Branche und der Key Player auch bei Top-Multiplikatoren unbekannt
  • Professionelle Kommunikationsstrukturen noch im Aufbau
  • Hohe Angreifbarkeit und Reaktionsschwäche besonders bei Krisen und kritischen Themen, weil Wertbeitrag nicht verankert ist
  • Kein Rückenwind bei Profilschärfung durch Verbände

Chancen:

  • Bessere Kommunikation von Kompetenzen, Bedeutung und Leistungsfähigkeit steigert die Attraktivität der Unternehmensmarke
  • Händler werden als bedeutende gesellschaftliche und wirtschaftliche Player wahr- und ernst genommen
  • Themensetting und Thought Leadership sichert Kommunikationshoheit in strategisch relevanten Themenfeldern
  • Intensiver Stakeholderdialog festigt Stakeholderbeziehungen
  • Integrierte Themen-, Marketing- und Imagemaßnahmen machen den Handel bzw. Key Player berechenbar und sympathisch

Risiken:

  • Schwaches Kommunikationsprofil schränkt unternehmenspolitischen und strategischen Handlungsspielraum ein, da Unternehmensanliegen nicht Gehör finden
  • Ohne positives Grundrauschen ist Management von Krisen und kritischen Themen schwierig (erhöhter Druck)
  • Wenn Kommunikationschancen nicht genutzt und Risiken nicht frühzeitig erkannt werden, schadet dies den Staleholderbeziehungen und unmittelbar dem Unternehmenserfolg

Stärken/Schwächen/Chancen/Risiken-Profil der Versicherungskommunikation nach aktueller Einschätzung

Stärken:

  • Assekuranzthemen von enormer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung
  • Etablierte Versicherer stehen für Solidität
  • Zahl der Produktinnovationen nimmt stetig zu
  • Produkt- und Vertriebsmarketing in zahlreichen Unternehmen fest verankert, dadurch Anknüpfungspunkte fürs Corporate Marketing
  • Gut ausgebaute Vertriebe können auch dezentral und breitenwirksam Corporate Marketing unterstützen
  • Viele Versicherer verfolgen klare, langfristige Unternehmensstrategien und besitzen eindeutige Unternehmenswerte

Schwächen:

  • Versicherungprodukte sind kompliziert, abstrakt und wenig greifbar
  • Öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen und Gesamtbranche überwiegend negativ; Bild der Assekuranz krisenbehaftet und intransparent
  • Insbesondere Produktinnovationen von Medien kritisch betrachtet
  • Hohe Angreifbarkeit und Reaktionsschwäche besonders bei Krisen und kritischen Themen, weil Wertbeitrag nicht verankert ist

Chancen:

  • Bessere Kommunikation von Kompetenzen, Bedeutung und Leistungsfähigkeit steigert die Attraktivität der Unternehmensmarken
  • Themensetting und Thought Leadership sichert Kommunikationshoheit in strategisch relevanten Themenfeldern
  • Intensiver Stakeholderdialog festigt Stakeholderbeziehungen
  • Integrierte Themen-, Marketing- und Imagemaßnahmen machen die Assekuranz bzw. Key Player berechenbar und sympathisch

Risiken:

  • Schwaches Kommunikationsprofil schränkt unternehmenspolitischen und strategischen Handlungsspielraum ein, da Unternehmensanliegen nicht Gehör finden
  • Ohne positives Grundrauschen ist Management von Krisen und kritischen Themen schwierig (erhöhter Druck)
  • Wenn Kommunikationschancen nicht genutzt und Risiken nicht frühzeitig erkannt werden, schadet dies den Stakeholderbeziehungen und unmittelbar dem Unternehmenserfolg

3.) Zukünftige Profilierungs- und Modernisierungsschritte in der Versicherungsbranche

Wie müsste die Veränderung des Kommunikationsprofils der Versicherungsbranche bzw. der großen Branchen-Player aussehen?

  1. Schon heute tut die Versicherungsbranche weit mehr als allgemein bekannt, um sich für die Anforderungen veränderter Marktbedingungen zu rüsten und sich für die Zukunft strak aufzustellen. Auch wenn der Branche oftmals mangelnde Innovationen vorgeworfen werden, sind bereits in vielen Unternehmen Veränderungen initiiert worden. So hat beispielsweise ein Großteil der Unternehmen den Schritt weg von der klassischen Lebensversicherung hin zu alternativen Produkten gewagt (Herausforderung 1 Makroökonomisches Umfeld). Dass viele Versicherer ihre Produkte inzwischen über das Internet anbieten, ist eine weitere bemerkenswerte Entwicklung (Herausforderung 3 Digitalisierung). Weitere Neuerungen stehen im Raum, etwa die Anlage von Kundengeldern in Infrastrukturprojekten, die Einführung von Telematiktarifen oder auch die Entwicklung von Gesundheitstarifen im Bereich BU/ Kranken, die digital gesteuert werden (wiederum Herausforderungen 1 und 3 Makroökonomisches Umfeld bzw. Digitalisierung). Im ersten Schritt einer intensiveren Profilierung ginge es darum, dass die Versicherungsunternehmen diese initiierten Veränderungen bzw. Fortschritte konsequent und zügig umzusetzen. Damit würde die Basis für die Ausweitung und Schärfung des Reputationsprofils gelegt.
  2. Der zweite Schritt würde darin bestehen, alle profilrelevanten Themen, insbesondere Innovationen und Fortschritte im Leistungsangebot, aber auch alle nachhaltigkeitsrelevanten Themen in die Kommunikation aufzunehmen und in den Strategien und Konzepten der jeweiligen Unternehmensmarken zu verarbeiten. Die spezifische Positionierung eines Versicherers muss klare Antworten auf die Fragen geben: Wofür steht das eigene Unternehmen? Mit welchen Innovationen und Fortschritte setzt es Akzente im Markt, demonstriert es seine Leistungsfähigkeit und reflektiert es seine Unternehmenskultur.In der Praxis kommt es hierbei besonders auf eine gute zielgruppenorientierte Kommunikation an. Innovationen der Assekuranz werden erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich aufgenommen. Manche Themen polarisieren sogar. So gibt es in der Diskussion um Telematik- oder digital gesteuerte Gesundheitstarife Stakeholder, die den „Gläsernen Versicherten“ und eine Entsolidarisierung der Versichertengemeinschaft befürchten. Nicht selten sind dabei auch Aufrufe zum Boykott zu hören, während sich andererseits viele Bundesbürger die Nutzung derartiger Angebote vorstellen können. Gerade hier ist also eine zielgruppenspezifisch differenzierte Ansprache notwendig, um Klarheit zu schaffen und Unternehmenspositionen nicht zu verwässern. Bei der frühzeitigen individuellen Kundenansprache zu kritischen Themen wie Telematik-/Gesundheitstarifen ist der enge Schulterschluss zwischen Vertriebsmarketing und Unternehmenskommunikation wichtig, um klar zu machen: Hier geht es nicht nur um den vertrieblichen Erfolg. Vielmehr geht es hier um wichtige Zukunftsthemen des Unternehmens, die bei den Kunden „ankommen“ sollen.

Anhand des Themas Telematik-/ Gesundheitstarife lässt sich das für eine positive Profilierung geeignete Vorgehen eines Versicherers in solchen Fällen gut beschreiben. Aktionsfelder der Public Relations wären dabei unter anderem:

  • Issue Management zur frühzeitigen Erkennung bzw. Besetzung und Entwicklung eines branchen-/ unternehmensrelevanten Themas in der medialen Öffentlichkeit
  • Entsprechend themenfokussiertes Stakeholder-Management mit besonderer Berücksichtigung einer differenzierten und zielgruppenorientierten Kommunikation von/mit Unterstützern bzw. Kritikern
  • Interne Kommunikation zur Sensibilisierung der Mitarbeiter/internen Stakeholder, um diese auf aktuelle unternehmensrelevante Herausforderungen aufmerksam zu machen
  • Impression Management mit passenden Leuchtturmprojekten, um rasch die Aufmerksamkeit und Themenhoheit zu erlangen und um wesentliche Aspekte des angestrebten Reputationsprofils mit dem spezifischen Thema zu verknüpfen. Mögliche Attribute bzw. Aspekte des Profils, die auf solche Weise durch Kommunikationsmaßnahmen und –kampagnen vermittelt werden, zeigt das nachfolgende Schaubild:

Mögliche Attribute des Reputationsprofis eines etablierten Versicherers

Reputation Versicherungen

Welche Kommunikationsstrategie wäre geeignet, das Profil der Versicherungsunternehmen als wichtige Impulsgeber für Wirtschaft und Gesellschaft weiter zu schärfen?

Um den Prozess der strategischen Profilierung in der Assekuranz in Gang zu setzen, genügt es nicht, wenn Unternehmen einzelne Innovationen oder Leistungsmerkmale thematisch erschließen. Wichtig ist vielmehr die sinnvolle Verknüpfung und die Ausrichtung aller Kommunikationsaktivitäten entlang einer definierten Strategie, und zwar auf Unternehmensebene, aber auch in den relevanten Branchenorganisationen.

Werfen wir nochmal einen Blick auf den beschriebenen Weg der Metro. Hier wurde der gesamte Prozess im Rahmen des Kommunikationsmanagements entlang einer langfristig angelegten, aber jährlich überprüften und angepassten Kommunikationsstrategie ausgerichtet. Dabei gab es wechselnde Leitthemen bzw. relevante Themenfelder, die nicht vom Kommunikationsbereich vorgegeben, sondern aus dem Leistungs- und Kompetenzprofil des Unternehmens abgeleitet wurden. Das waren unter anderem diese Themenfelder:

  • Leitbild und Corporate Principles
  • Innovationen und Nutzung neuer Technologien im Handel
  • Verantwortung, Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit als Handelsunternehmen

In diesen Themenfeldern wurden nicht nur Botschaften, Argumentationslinien und Kommunikationsmaßnahmen entwickelt, es wurde auch dafür gesorgt, dass Führungskräfte und Mitarbeiter diese Themen, ihre unternehmensstrategische Bedeutung, mögliche Themenentwicklungen und Konflikte in der öffentlichen Wahrnehmung verstehen. Nur wenn das sichergestellt ist, können Unternehmen nämlich auch nach außen gegenüber externen Stakeholdern ihre Themen- und Leistungskompetenz substanziell und glaubwürdig demonstrieren. Dies sollte auch in der Assekuranz selbstverständlich sein.

Der Anspruch für eine klarere strategische Profilierung der Assekuranz könnte so formuliert werden: Wir machen unsere Bedeutung und unsere Verantwortung als Teil des täglichen Lebens von Millionen Verbrauchern und als Rückgrat der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Infrastruktur gegenüber allen Stakeholdern erlebbar.

Profilierungstrategien überdenken und innovative Konzepte im Corporate Marketing entwickeln!

Auf dieser Basis lohnt es sich für die Unternehmen der Versicherungsbranche, ihre Reputations- und Profilierungsstrategien zu überdenken und daraus auch neue Konzepte für das Corporate Marketing abzuleiten. Welche Leitthemen und Kernbotschaften sich daraus ergeben, welche Kommunikationsmaßnahmen dazu entwickelt werden und welche Kommunikationskanäle zur effizienten Vermittlung am besten geeignet sind, all das ist jeweils individuell auf Unternehmensebene sowie in den Brancheninstitutionen zu definieren. Unsere Absicht war es hier, zur weiteren konsequenten Intensivierung dieses profilbildenden Prozesses anzuregen.

Fazit

Im Versicherungsgeschäft kommt es ganz besonders auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit an. Ein positives Grundrauschen und eine positive, dem Wertbeitrag der Assekuranz angemessene öffentliche Wahrnehmung helfen dabei. Nur wenn aber die Kunden sowie alle anderen Stakeholder die Leistungen und den gesellschaftlichen wie auch wirtschaftlichen Wertbeitrag der Assekuranz kennen, kann sich dieses entwickeln. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch schauen Kunden nicht nur auf Konditionen und Leistungen, sondern achten auch auf das Profil der dahinterstehenden Unternehmen und der Branche. Deswegen sollten die Versicherer ihr Profil schärfen und sich aktiv darum bemühen, ihre öffentliche Wahrnehmung weiter zu verbessern. Dies kann auch die Kundenbindung sowie die weitere Geschäftsentwicklung der Unternehmen unterstützen.

Wünschenswert wäre dabei ein gutes Zusammenspiel der einzelnen Akteure im Markt, damit die Branche als Ganzes mit einem starken, glaubwürdigen Profil Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfährt. Bei all dem kann man sich an den Erfahrungen in der Handelsbranche orientieren.[hr]

*) Dieser Beitrag wird gleichzeitig hier im Blog und im Blog K-Strategie von Christian Krause publiziert.

Christian Krause verfügt als ehemaliger PR-Berater und heutiger Pressesprecher der Generali Versicherungen über langjährige Erfahrung in der Unternehmenskommunikation. Seit Januar 2015 betreibt er den Blog K-Strategie, den Blog zu Content Marketing, PR und Social Media Strategien.