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Warum ist Populismus eine Gefahr für die PR?

Populisten können das Gleichgewicht und die Kultur des Miteinanders in der Gesellschaft verändern. Das ist vorrangig eine politische Herausforderung – aber ist es auch ein Thema für Kommunikationsmanager? Meine Antwort heißt: Ja!

Auch wenn aktuell der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung eher auf der Schwäche der politischen Kommunikation und dem erstarkenden Rechtspopulismus liegt, können Populisten die Arbeit in der Unternehmenskommunikation beeinflussen. So gibt es Branchen, deren Unternehmen sich immer wieder gegen populistische Kampagnen einzelner Interessengruppen behaupten müssen. Handel und Lebensmittelwirtschaft sind beispielsweise betroffen.

Vielleicht noch gravierender ist aber eine weithin unbeachtete, sich immer mehr verfestigende Auswirkung des zunehmenden Populismus: Indem dieser die Menschen nämlich unzugänglich für Argumente und fundierte Botschaften macht, zersetzt er das Vertrauen der Bürger und gefährdet etablierte Kommunikationsstrukturen und -Beziehungen. Auch das Vertrauen in Unternehmen, Marken und Branchen kann darunter leiden.

Kommunikationsmanager kümmern sich um Aufmerksamkeit und Vertrauen für die Belange ihres Unternehmens. Daran misst sich der Erfolg ihrer Arbeit. Wenn nun Populisten mit vereinfachten und eingängigen Botschaften die Aufmerksamkeit und das Vertrauen auf sich lenken und die Meinungsbildung relevanter Stakeholder beeinflussen, kann das die Glaubwürdigkeit des Unternehmens und seinen Kommunikationserfolg beeinträchtigen. Besonders kritisch ist dies in reputationsrelevanten Feldern, auf denen sich Unternehmen als Themen- und Meinungsführer profilieren und ihre Kernkompetenzen demonstrieren wollen.

Populisten können das Kaufverhalten oder Markenpräferenzen beeinflussen, sie können ganze Branche in Misskredit ziehen oder auch das Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft bei wichtigen Themen in eine Richtung lenken (siehe TTIP). Der Umgang mit populistischen Strategien ist also ein kein einfaches Thema für Kommunikationsmanager.

Was können sie tun? Gibt es Patentrezepte, um „populismusresistent“ zu werden? Und wie können Unternehmen aus den Fehlern der Politik lernen? Dazu einige Anregungen.

Populismus als kommunikative Herausforderung verstehen

Eines vorweg: Eine „Wunderwaffe“ gegen Populisten sehe ich nicht. Was hilft, ist schlicht eine aktive, vorausschauende und vor allem ganzheitlich angelegte Kommunikation. Zunächst aber sollte man genauer hinterfragen, was Populismus überhaupt ist und inwieweit er eigentlich eine kommunikationsstrategische Herausforderung darstellt.

Man kann Populismus als eine unsachgemäße Vereinfachung komplexer Zusammenhänge mit emotionalen Mitteln, geleitet von Partikularinteressen, definieren. Aber das würde zu kurz greifen.

Reduktion von Komplexität mit dem Ziel, das eigene Publikum zu überzeugen, ist schließlich auch Anspruch der Kommunikationsprofis. Populismus ist vielmehr eine Aufmerksamkeitsstrategie, die in komplexer Problemlage nicht auf differenzierte Aufklärung, sondern auf Mobilisierung und Stimmungsmache setzt. Das verbindende Element ist in der Regel eine kritische Position (z.B. gegen Lösungsvorschläge des „Establishments“), die Menschen vereint und ihnen so etwas wie eine gemeinsame Orientierung verspricht.

Die Anfälligkeit für populistische Strategien ist dabei auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung: Hier nur drei Gründe, warum Populisten und Skandalisierer heute recht leicht die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen können:

  1. Es gibt einen Überfluss und eine permanente Verfügbarkeit von Informationen, aber gleichzeitig nimmt die Fähigkeit der Menschen ab, diese Informationen einzuordnen und richtig zu bewerten. Angesichts zunehmender Komplexität unserer Welt in allen Bereichen, wird Orientierung schwerer. Damit sinkt auch die Fähigkeit, Probleme zu lösen, und es wächst die Anfälligkeit für scheinbar einfache Lösungen.
  2. Orientierung könnten Vorbilder bzw. Leitbilder in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bieten. Aber solche Personen gibt es immer seltener oder sie erfüllen durch eigenes Fehlveralten ihre Vorbildfunktion nicht mehr. Damit fehlen in einer Welt zunehmender Beliebigkeit Ankerpunkte für die Menschen, um zu entscheiden, was richtig und falsch ist.
  3. Immer wieder beklagt wird auch die wachsende Personalisierung und Emotionalisierung von gesellschaftlichen Themen und infolgedessen die sinkende Bereitschaft in der mediengetriebenen Gesellschaft, sich substanziell und konstruktiv mit wichtigen Fragen auseinanderzusetzen. Echte kritische Dialoge gibt es immer seltener, stattdessen Bagatellisierung und Unterhaltung. Das spielt „unterhaltsamen“ Populisten in die Hände.

Vor diesem Hintergrund sind populistische Strategien immer dann erfolgreich, wenn ihnen kommunikativ nichts oder zu wenig entgegengesetzt wird. Sie decken dann einen nicht erfüllten Kommunikationsbedarf – ein sogenanntes „Kommunikationsloch“. Das ist in der Politik zu beobachten, sowohl auf EU-Ebene (siehe Brexitvotum sowie die antidemokratischen Entwicklungen in einigen Ländern) als auch auf Bundes- und Landesebene (siehe Flüchtlingsdebatte). Es gilt aber auch für Unternehmen und Branchen.

So führte zum Beispiel die populistisch gefärbte Energiediskussion in Deutschland dazu, dass die großen Energieunternehmen ihren Handlungsspielraum teilweise verloren. Sie hatten jahrelang dem Bedarf, über alternative Energiekonzepte nachzudenken, nichts entgegengesetzt und Populisten das Spielfeld überlassen. Nun wurde die gesamte Branche zum Umbau gezwungen wurde.

Auch die heutigen Diskussionen über erneuerbare Energien wird teilweise populistisch geführt – mit gravierenden Auswirkungen. Mangelnde Kommunikationsstärke wichtiger Akteure in der Politik oder auf Unternehmensebene ist mithin ein nicht unwesentlicher Grund für das Erstarken populistischer Tendenzen.

Das bedeutet umgekehrt: Das beste Gegenmittel gegen Populismus ist gute Kommunikation. Man kann sich vorbereiten und Populisten professionell begegnen.

Wie rüsten sich Kommunikationsmanager gegen Populismus?

Wie so oft sind es im Kommunikationsmanagement einfache, eigentlich banale Faktoren, die den Erfolg ausmachen. Wer populistischen Attacken ausgesetzt ist, sollte daher die nachfolgenden fünf Regeln berücksichtigen:

1. Vorausschauendes, ganzheitliches Themenmanagement: Populismusgefährdete Themen und Entscheidungen in einen größeren Kontext stellen

Die solide Analyse und passgenaue Themen- und Maßnahmenplanung sind generell unverzichtbar, aber zur Abwehr populistischer Einflussnahme besonders wichtig. Nur so kann man die kritische Bedeutung eines Themas oder einer Entwicklung frühzeitig richtig einschätzen und mögliche Risiken auf dem Monitor behalten.

Nicht jedes Thema eignet sich dafür, von Populisten vereinnahmt zu werden. So ist zum Beispiel die Flüchtlings- und Integrationsdebatte (weil sie anschlussfähig zum Alltag der Menschen ist) im populistischen Sinne besser „kampagnenfähig“ als etwa die schwierigere Thematik um die Euro-Rettungspolitik, obwohl diese auf lange Sicht viel gravierendere Auswirkungen hat als die Integration von Flüchtlingen. Entscheidend ist es heute, die Kommunizierbarkeit möglicher (politischer oder unternehmerischer) Entscheidungen im Blick zu behalten.

Wer die Anliegen und Erwartungen seiner Stakeholder kennt, kann dabei in der Regel gut abschätzen, welches Thema voraussichtlich kritisch wahrgenommen und von Populisten aufgegriffen wird und wie es sich entwickelt.

Wer beispielsweise eine neue Technologie im Markt einführen möchte, kann die möglichen Bedenken von Kunden, Interessengruppen oder in der Öffentlichkeit einkalkulieren und in einem Kommunikationsplan aufgreifen.

Konsequenz der Analyse ist ein Kommunikationsplan, der entsprechend auch populistische Risiken berücksichtigt. Da sie sich in der Regel auf einzelne Themen und Themenfacetten reduzieren – das Prinzip der Vereinfachung besteht ja gerade in der thematischen Reduktion – kann man populistische Aktivitäten oftmals dadurch relativieren, dass man sie in einem größeren Zusammenhang betrachtet.

Wenn man kritischen Themen in einen größeren, erklärenden Kontext stellt, ist das zwar aufwändig, ermöglicht aber auch eine differenziertere Darstellung der Problemlage. Das kann zur Aufklärung und Orientierung beitragen und den Populismus entkräften.

2. Die richtige markenkonforme Story

Mit Argumenten und Fakten allein kann man eine irrationale öffentliche Meinungsbildung kaum beeinflussen. Vielmehr braucht man eine wirkungsvolle Story in Verbindung mit einer klaren Leitidee und einer Vision, die nicht nur überzeugt, sondern zum Mitmachen oder zum Nachdenken mobilisiert. Im Umgang mit den Rechtspopulisten in Deutschland und Europa wird das Fehlen einer solchen tragfähigen Story immer wieder moniert.

Als Mindestanforderung muss sie drei Bedingungen erfüllen:

  • Sie muss rational und irrational funktionieren, also auch die Emotionen ansprechen. Dabei sollte man auch Ängsten in der Öffentlichkeit und gefühlten Gefahren Rechnung tragen. Mit Blick auf den Rechtspopulismus wären zum Beispiel die Sicherheit in der Gesellschaft oder der Wert des gesellschaftlichen Zusammenhalts starke Motive. Wenn beispielsweise Unternehmen in Krisen- oder Restrukturierungsprozessen Standorte schließen und dabei regelmäßig populistische  Anfeindungen ertragen müssen, kann solch eine zukunftsorientierte, visionäre und mitreißende Story existenzielle Bedeutung haben.
  • Die Story muss authentisch sein, das heißt die Identität des Unternehmens oder der Organisation spürbar vermitteln. Konkret geht es hier um den Markenkern bzw. die Unternehmensphilosophie bzw. in der Politik um die politische DNA. Authentizität hilft gegen Populismus, weil sie den Absender berechenbar und Entscheidungen bzw. kritische Positionen nachvollziehbar macht.
    Hätte Bundeskanzlerin Merkel beispielsweise ihre Haltung in der Flüchtlingsdebatte aus ihrer politischen DNA, dem Profil und den Grundsätzen ihrer Partei, abgeleitet und damit als Ausdruck eines parteipolitischen Verständnisses erklärt, hätte das möglicherweise als „markenkonformes Verhalten“ Klarheit geschaffen und auf diese Weise die öffentliche Akzeptanz erhöht.
  • Vor allem aber muss die Story Aufmerksamkeit schaffen. Populismus  ist, wie erwähnt, eine Strategie, um öffentliche Aufmerksamkeit vom Kontrahenten auf das eigene Lager und die eigenen Positionen zu lenken. Dagegen hilft eine Story bzw. Kommunikationsmaßnahme, die so stark ist, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht untergehen kann.
    Um noch einmal das Beispiel der Kanzlerin zu bemühen. Vielleicht hätte es ihr geholfen, statt sich zu rechtfertigen, eine große bundesweite Themen- und Diskussionskampagne darüber ins Leben zu rufen, wie sich Deutschland als Akteur der Weltgemeinschaft zukunftsorientiert aufstellen will. Eine große Identitätskampagne unter dem Motto „Deutschland denkt über sich nach“ und nicht „Deutschland streitet über die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen“. Das zweite (derzeit aktuelle) Thema hätte man in das erste Thema gut einbinden können. Aus der Unternehmenswelt gibt es gute Beispiele, wie man kritische Themen und deren populistischen Missbrauch in starke Kampagnen einbinden kann. So hat z.B. Nestlé vor Jahren eine Qualitätsoffensive initiiert als gesellschaftlichen Lernprozess für eine differenzierte Wahrnehmung der Qualität von Lebensmitteln. Das hat manchen Kritikern der Branche und ihren populistischen Anfeindungen den Wind aus den Segeln genommen.

Themen- und Meinungsführer bleibt man heute nur, wenn diese drei Aspekte erfüllt sind.

3. Mit Werten gegen Populismus

Werteorientierte Kommunikation durchzuhalten, zahlt sich besonders in kritischen Situationen aus. Hierzu habe ich mich mit Verweis auf das Glaubwürdigkeitsprinzip an vielen Stellen in diesem Blog Genaueres ausgeführt, u.a. im Beitrag „Glaubwürdigkeit und Effizienz – Anregungen für ein Kommunikationsmanagement mit Prinzipien“.

Da sich Populisten selten einer festen Ideologie oder verbindlichen Grundsätzen verpflichtet fühlen, kann man sich mit klaren Werten positiv abgrenzen. Das kann die öffentliche Akzeptanz stärken.

Neben Grundsätzen wie Mut, Augenmaß und Souveränität kommt es vor allem  auf Ehrlichkeit, Transparenz und Authentizität an, die drei zentralen Werte des Glaubwürdigkeitsprinzips. Wer hier Kompromisse macht, liefert Populisten Argumente frei Haus. Zur Ehrlichkeit gehört übrigens auch die Bereitschaft, Fehler und Missstände zuzugeben.

4. Unterschätzter Faktor: Nähe und Intensität der Kommunikation

Man muss sich nicht auf jedes Spielfeld begeben, um Populisten die Stirn zu bieten. Ob es ratsam ist, muss je nach Situation individuell beurteilt werden. Manchmal ist Ignoranz die bessere Strategie. Oftmals aber gilt das Gegenteil und Populisten finden Gehör, wenn sich die Kontrahenten der Kommunikation entziehen oder nicht intensiv genug kommunizieren.

Gerade in kontroversen Debatten ist es wichtig, Nähe und Präsenz zu zeigen. Qualität und Quantität der Kommunikation – und damit eine hohe Frequenz in der medialen Wahrnehmung – sind gleichermaßen entscheidend.

In puncto Nähe und Sichtbarkeit sind vor allem dialogorientierte Formate interessant. Dialog bedeutet Einbindung der Öffentlichkeit. Fehlende Partizipation der Bevölkerung in zentralen gesellschaftlichen Fragen ist ein – nicht nur von Populisten – oft geäußerter Kritikpunkt, den man ernst nehmen sollte und dem man mit dialogorientierten Maßnahmen entgegenwirken kann.

5. Verzicht auf populistische Strategien

Und schließlich eine Empfehlung, mit der sich mancher vielleicht besonders schwer tut: Wer Populismus beklagt, sollte selbst darauf verzichten.

Das gilt für die Politik ebenso wie für die Wirtschaft.

Sonst ist das wie mit der Transparenz: Jeder fordert sie vom anderen, aber für einen selbst (bzw. für das eigene Unternehmen) gelten andere Regeln. Und das fördert nicht gerade die Glaubwürdigkeit. Das heißt: Wer als fairer und glaubwürdiger Kommunikationspartner ernst genommen werden will, darf nicht auf populistische Strategien setzen.

Fazit

Populismus ist ein uraltes Phänomen. Aber selbst in unserer hochentwickelten, aufgeklärten Kommunikationsgesellschaft kann er Schaden anrichten. Und er nimmt zu.

Unternehmen müssen sich damit befassen, weil er in vielfältiger Weise ihre Glaubwürdigkeit und ihren Kommunikationserfolg beeinträchtigen kann.

Die Lösung ist im Prinzip einfach: Gegen Populismus hilft gute, ganzheitlich angelegte Kommunikation.

Das heißt konkret:

  • ein vorausschauendes Themenmanagement, das populismusgefährdete Themen und Entscheidungen erkennt und kritische Positionen in einen größeren, erklärenden Zusammenhang stellt,
  • eine starke, authentische, zur Marke (bzw. zur politischen Identität) passende Story mit überzeugender Vision,
  • die Orientierung an verbindlichen Grundsätzen und Werten, die das eigene Handeln und die Kommunikation berechenbar machen,
  • eine ausreichend intensive Kommunikation in Kanälen, die Aufmerksamkeit sichern,
  • der Verzicht auf eigene populistische Strategien.

Wenn immer mehr Populisten die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen, haben es Kommunikationsmanager schwer, ihren unternehmerischen Auftrag zu erfüllen. Im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit und Vertrauen sind Populisten unfaire, aber oft erfolgreiche Gegner.

Daher sollte man sich gut überlegen, wie genau man ihnen auf professionelle Weise den Wind aus den Segeln nimmt.

*) Hinweis: Zu diesem Thema empfehle ich auch den jüngeren Beitrag in diesem Blog: „Besondere Chance für die Unternehmenskommunikation: Vertrauen und Identität in Zeiten von Fake News und Populismus“. Er beschreibt, inwiefern diese Formen der Desinformation eine unternehmenspolitische Herausforderung darstellen, und was dagegen zu tun ist.