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Hinweis: Eine aktualisierte Version dieses Beitrags findet sich im Buch „Glaubwürdig kommunizieren“ von Wolfgang Griepentrog.

Public Relations sind unverzichtbar. Gutes PR-Management ist das Rückgrat einer Gesellschaft, die auf den effizienten und vertrauensvollen Austausch von Botschaften, Informationen, Ansichten, Wertungen angewiesen ist. Ohne PR findet kein Unternehmen, keine Organisation Aufmerksamkeit und Gehör für die eigenen Anliegen. Und doch schafft es die PR-Branche nicht, ihren bedeutenden Wertbeitrag, den sie zur unternehmerischen und gesellschaftlichen Entwicklung leistet, im Bewusstsein von Unternehmen und Öffentlichkeit nachhaltig zu verankern. Woran liegt das?

Ebenso wie das Marketing hat sich die Zunft der PR weiterentwickelt. Sie hat sich stets neuen Themen und neuen Kommunikationsmöglichkeiten geöffnet und auf die tief greifenden Veränderungen der global vernetzten Kommunikationsgesellschaft reagiert. Vor 20 Jahren, als ich die ersten beruflichen Schritte im Kommunikationsmanagement unternahm; sah PR jedenfalls ganz anders aus. Der Branche mangelt es weder an Professionalität noch an Talenten.

Und trotzdem: Das Image der PR-Profis ist ambivalent. Es reicht vom angesehenen Strategieberater bis zum Underdog des Unternehmensmanagements. Ein bisschen ergeht es uns wie Politikern – akzeptiert von den einen, gescholten von den anderen. Mal hoch professionell und strategiekompetent, mal operativ ausführend. Alles in allem hat es die PR-Branche bisher nicht vermocht, ihrer Bedeutung entsprechend wahrgenommen zu werden. „Schafft sich die PR selbst ab?“ heißt nun sogar das selbstkritische Thema einer Diskussion, die gerade in der Bloggergemeinde aufgekommen ist. Thomas Pleil, Mirko Lange und Dennis Sulzmann haben interessante Beiträge hierzu geschrieben.

PR braucht gute PR. Es liegt im eigenen Interesse, das Standing der PR in den Untenehmen und in der Öffentlichkeit nachhaltig zu verbessern. Wir müssen nicht nur gut kommunizieren, wie müssen auch den Wert gelungener Kommunikation und den Anspruch an vertrauensvolle Stakeholderbeziehungen gut vermitteln. Das ist schwer und andere Kommunikationsdisziplinen, etwa die Werbung, tun sich ebenfalls schwer damit. Das Standing der PR zu verbessern, ist aber nicht nur eine Frage des Images. Vielmehr geht es darum, die Handlungs- und Gestaltungsspielräume des PR-Managements zu erweitern. PR braucht ein besseres Standing, um ihre Wirkung voll entfalten zu können. Auch die Glaubwürdigkeit der PR hängt von ihrem Standing ab – und umgekehrt. Glaubwürdigkeit muss das Leitmotiv unsers Berufszweigs sein. Die Initiative des Glaubwürdigkeitsprinzips regt den substanziellen Austausch hierzu an und will so auch Anspruch und Wertbeitrag guter Kommunikation deutlich machen.
Wie nun?

Warum ist gute PR-Arbeit unverzichtbar?

PR-Manager sind Brücke und Mittler zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Ihr Auftrag ist „Beziehungsarbeit“ im umfassenden Sinne und reicht weit über die bloße Mittlerfunktion hinaus. Sie sind Botschafter und Repräsentanten des Unternehmens und der Unternehmensmarke. Kurz gesagt:

  • PR vermittelt. PR entwickelt Strategien und Konzepte, um Botschaften wirkungsvoll zu kommunizieren. Dabei ist heute vor allem die Fähigkeit gefragt, schlechte Nachrichten souverän und verantwortungsbewusst zu „verkaufen“. Die Glaubwürdigkeit der PR wird eher daran gemessen als an der „Sonnenschein-PR“.
  • PR erkennt und nutzt Chancen. PR ist auch Chancenmanagement. Es gilt, die richtigen Themen und Reputationstreiber zu identifizieren und zu nutzen. Dabei geht es um ein gutes Matching von Erwartungen und Bedürfnissen der Kommunikationszielgruppen einerseits und von Profilierung- und Positionierungsmöglichkeiten des Unternehmens andererseits. Glaubwürdige PR hängt entscheidend davon ab, wie gut Stakeholdererwartungen erfüllt werden.
  • PR erkennt Risiken und grenzt sie ein. Was kann die Reputation des Unternehmens gefährden? Was kann den Unternehmenserfolg beeinträchtigen? Wo und wie kann die Kommunikationshoheit und damit unter Umständen auch unternehmerischer Handlungsspielraum verloren gehen? Aufmerksames, verantwortungsbewusstes PR-Management leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Unternehmenserfolgs durch frühzeitiges Erkennen von Risiken.
  • PR klärt auf. PR erklärt Themen und deutet Zusammenhänge. Gute Kommunikation stiftet Orientierung. Wer es Menschen erleichtert, Informationen einzuordnen und zu bewerten, stärkt seine Glaubwürdigkeit und handelt effizient. PR-Manager erklären aber Themen und Zusammenhänge nicht nur gegenüber externen Zielgruppen, sondern auch intern. Vor allem die Führungskräfte müssen verstehen, wie Themen und Sachverhalte in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und wie sich ihre Entscheidungen, ihr Verhalten und ihre Botschaften auf die Reputation des Unternehmens auswirken.
  • PR bewirkt den Wandel von Einstellungen und Verhalten bei den Zielgruppen. Der Erfolg von PR ist konkret messbar. Er zeigt sich unter anderem darin, dass Zielgruppen in ihren Einstellungen und in ihrem Verhalten den Interessen des Unternehmens folgen, beispielsweise ein bestimmtes Leistungsversprechen gut finden und in Anspruch nehmen. PR als Instrument, um Unternehmensinteressen zu verfolgen und zu formulieren, ist wertvoll und nützlich. Wer allerdings gegen die Regeln der Fairness, Transparenz und des Verantwortungsbewusstseins handelt, schadet nicht nur dem Unternehmenserfolg, sondern auch der Reputation der PR-Zunft insgesamt.
  • Last but not least, PR muss ihren Wertbeitrag für den Unternehmenserfolg unternehmensintern gut vermitteln. Wirkungsweise und Erfolg von PR bedürfen der Argumentation und der Erklärung, denn kommunikationsstrategische Entscheidungen sind erfolgs- und reputationsrelevant. Zum Standing guter PR gehört es daher, ihre Bedeutung unternehmensintern erklären zu können.

An diesen Ansprüchen wird nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch die Glaubwürdigkeit der PR gemessen.

Fünf Gründe, warum die Reputation der PR-Branche nicht ihrer Bedeutung entspricht

  1. PR lässt sich zu stark auf die Spezialistenrolle ein und hebt zu wenig und mit zu geringem Selbstbewusstsein die Führungsrolle und die strategische Bedeutung guter Kommunikation und PR-Arbeit heraus. Aus meiner Sicht ist es fraglich, ob es reicht, dass sich PR-Profis als Spezialisten für den Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg aufstellen, wie es Mirko Lange in seinem Beitrag andeutet. PR muss sich vielmehr glaubhaft als Strategin für den Wertbeitrag etablieren. Auch die Institutionen der PR-Branche sollten sich stärker dafür einsetzen, dass PR auf Unternehmensebene eine Führungsrolle zugestanden wird.
  2. Die Ambivalenz von Public Relations als dienende und vermittelnde Funktion einerseits und in hohem Maße Einfluss nehmende Funktion andererseits erfordert von allen PR-Managern ein Maximum an Integrität, Transparenz und Souveränität. Auch hier darf ich auf die Aspekte des Glaubwürdigkeitsprinzips verweisen, insbesondere auf das vierte Kriterium: „Der glaubwürdige Kommunikationsmanager vertritt seine Interessen aktiv und ist berechenbar für die Stakeholder.“ Schwierig (und kritisch hinterfragt) wird Kommunikation dann, wenn Interessen und Positionen verschleiert werden und auf Dauer im Vagen bleiben. Interessenpolitik zu betreiben, wenn es offen und transparent praktiziert wird, erhöht die Berechenbarkeit und die Zuverlässigkeit der kommunizierenden Person und damit ihre Glaubwürdigkeit. Diesem Anspruch wird PR-Management heute oftmals nicht gerecht.Als Belastung für die Reputation der PR erweist sich auch das bisweilen verkrampfte Verhältnis zwischen PR und Journalismus bzw. den Medien. Dies liegt weniger an den hoch professionellen und finanziell meist besser ausgestatteten PR-Abteilungen der Unternehmen. Vielmehr haben die klassischen Massenmedien ihre gewohnte Vermittlerfunktion und damit ihre Deutungshoheit ein Stück weit verloren und sehen PR, die den direkten Kontakt zu ihren Stakeholdern sucht, von daher als Konkurrenz. Dass aber PR und Medien auf ein enges vertrauensvolles Zusammenwirken angewiesen sind, bezweifelt niemand.
  3. Die PR-Branche entwickelt sich zwar konsequent weiter und setzt sich sowohl mit neuen Kommunikationsformen wie den Social Media als auch mit relevanten Zukunftsthemen wie der Kommunikation verantwortungsbewusster Unternehmensführung auseinander. Nicht immer schlägt sich dies aber in der Professionalität des PR-Managements nieder. Glaubwürdige PR muss stets Agenda Setter und Themenführer in gesellschafts- und unternehmensrelevanten Feldern sein. Sie muss beispielsweise die bei vielen Managern noch vorhandene Angst im Umgang mit Social Media reduzieren und zeigen, wie die Unternehmen diese nutzen können. PR muss konsequentes Erwartungsmanagement betreiben und beispielsweise alle Themen und Akteure aufmerksam beobachten (Issue Management). PR muss sich dafür einsetzen, dass die hierzu notwendigen Ressourcen und Infrastrukturen bereitgestellt werden. Professionalität ist der beste Beleg für den Wertbeitrag guter PR.
  4. PR braucht die besten Köpfe. Ein heikles Thema. Wenn ich die Stellenprofile und Besetzungskriterien betrachte, wundere ich mich bisweilen, wie unkritisch die Positionen an den Schaltstellen der PR besetzt werden. Im Dax-Umfeld war einige Jahre lang sogar ein „Downgrading“ bei der Besetzung von Top-PR-Positionen zu beobachten. Bisweilen ist wenig Raum für Querdenker und Problemlöser. Ob zertifizierte Aus- und Weiterbildungen da weiterhelfen, bezweifele ich: die besten PR-Talente sind schließlich Juristen, Journalisten oder Quereinsteiger, die nie PR studiert oder systematisch gelernt haben. Auch die Präsenz in der PR-Szene sollte kein ausschlaggebendes Kriterium für Stellenbesetzungen sein.Weil Unternehmen die besten PR-Köpfe brauchen, die auf Augenhöhe mit dem Top-Management und externen Top-Entscheidern arbeiten, sollten auch die Vergütungen angemessen sein. Im Durchschnitt erscheint die Bezahlung von PR-Profis oftmals der Verantwortung und Aufgabenvielfalt nicht angemessen.
  5. Der wichtigste Punkt aber, warum die Reputation der PR-Branche nicht ihrer Bedeutung entspricht, ist die fehlende einheitliche oder zumindest nicht immer spürbare Orientierung an Werten und Grundsätzen verantwortungsbewusster Kommunikation. Die PR-Branche hat gewiss keinen Mangel an Codizes und Standards. Ob diese konsequent im Bewusstsein der PR-Schaffenden präsent und folglich verhaltenswirksam sind, sei dahin gestellt. Im Einklang mit dem Glaubwürdigkeitsprinzip bin ich jedenfalls überzeugt, dass effiziente und verantwortungsbewusste PR auf einem klaren Wertesystem und einer Haltung basiert. Sie lässt sich in wenigen Grundzügen beschreiben. Es ist die Haltung des Ehrbaren Kaufmanns. Nur wenn sich PR an diesen Grundsätzen orientiert, kann sie ihren Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg und zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten und glaubwürdig vermitteln können.
    Dies muss sich dann im übrigen auch im Stil der brancheninternen Auseinandersetzungen widerspiegeln. Der Umgang der PR-Verbände und Institutionen mit kritischen Themen entspricht nicht immer dem Anspruch, der an verantwortungsbewusste Kommunikatoren zu stellen ist. Uns allen ist das Beispiel eines Professors präsent, der sich mit seiner abenteuerlichen Behauptung, PR müsse naturgemäß lügen, in der Sache und schließlich auch im Stil vergriff, sowie der ebenso wenig hilfreichen Repliken der PR-Institutionen darauf. Dabei wäre der offene Diskurs über Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit in der PR (insbesondere in Konfliktsituationen) wichtig und notwendig!
    In puncto Werteorientierung sind speziell auch die PR-Berater gefordert. Sie agieren in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen Ethik und Interessen und. Damit sie zu einem nachhaltigen, glaubwürdigen Auftritt ihrer Kunden beitragen, brauchen sie festes Fundament an Werten und Grundsätzen. Im Buch „Das Glaubwürdigkeitsprinzip“(S. 170 – 188) habe ich einige Aspekte genauer vorgestellt.

Fazit und Appell

  1. Die PR-Branche muss es schaffen, die strategische Kompetenz von PR zu beweisen und zu vermitteln.
  2. PR muss sichtbar auf Verantwortung und Werteorientierung ausgerichtet sein. Ihre dienende und führende Funktion sollten PR-Manager mit Initiative, aber mit Maß und Demut ausüben. Das Glaubwürdigkeitsprinzip empfiehlt sich hier als Richtschnur. Um ein schönes Wort von Bodo Hombach zu adaptieren: PR ist Beleuchterin, und nicht die Beleuchtete selbst. Das bedeutet auch: Corporate Responsibility, die verantwortungsbewusste Unternehmensführung, muss das Leitmotiv guter PR sein.

Dann hat PR eine gute Chance, ihren Wertbeitrag klar zu machen und ihrer Bedeutung entsprechend wahrgenommen zu werden.