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Volkswagen liefert Impulse für eine wichtige Debatte

Wenn große Unternehmen über eine Krise ins Wanken geraten, sollten wir einen kühlen Kopf bewahren. Zum einen ist es für die Menschen im Unternehmen schwer genug, die operative Leistungsfähigkeit zu sichern und trotz negativer öffentlicher Wahrnehmung und Absturz des Börsenkurses weiterhin gut und routiniert zu arbeiten. Die Fairness gebietet es, Unternehmen und Mitarbeiter nicht pauschal zu verurteilen, sondern ihre Gesamtleistung auch in der Krise zu respektieren. Zum anderen muss es das Ziel sein, aus solchen Fällen zu lernen und zu fragen, warum aufwändige Compliance-Organsiationen in entscheidenden Momenten des Praxisbetriebs versagen und Selbstreinigungsmechanismen im Unternehmen offenbar nicht funktionieren.

Aus „Dieselgate“ bei Volkswagen, aber auch aus Problemen anderer börsennotierter Konzerne, die sich teilweise im Dauer-Krisenmodus befinden, können wir Erkenntnisse ableiten, die zu einer wirkungsvollen und glaubwürdigen Kultur der Compliance beitragen und die Umsetzung von Werten und Regeln in der Praxis fördern können. „Dieselgate“ bietet die Chance, das Compliancethema aus dem engen Korsett juristischer Betrachtungen hinein in die reale, konflikt- und risikoreiche Unternehmenspraxis zu holen. Dazu einige Anregungen.

Studien zeigen, wie es um den Reifegrad der Compliance wirklich steht

Alle großen Konzerne haben umfangreiche Complianceregeln und teilweise aufwändige Strukturen, die ihre Einhaltung gewährleisten. Dabei ist Volkswagen durchaus ein gutes Beispiel; im aktuellen Geschäftsbericht (2014) werden Organisation und Aktivitäten im Handlungsfeld der Compliance umfassend dargestellt. Kommunikation, Schulungen, Trainings, Beratung und andere umsetzungsrelevante Themen sind in dem entsprechenden Kapitel dargestellt. Von außen betrachtet, ist das „state of the art“. Damit werden Verstöße Einzelner gegen Verhaltensgrundsätze nicht komplett, aber gewiss in vielen möglichen Risikofeldern verhindert. Compliance bedeutet hier: Regeln, Kontrolle und Appell an das gute Gewissen des Einzelnen. Nicht zu verhindern sind aber offensichtlich Vorgänge, die mehr erfordern als den Appell an das gute Gewissen, bei denen zum Beispiel von Personengruppen Complianceregeln ausgehebelt werden.

In manchen Unternehmen wirken die Akvitäten zur Compliance, die oft stolz präsentiert und intern rigoros verkündet werden, wie ein „Compliance-Kult“ – viel Show, viel Geklapper, aber auf lange Sicht keine befriedigende Wirkung. Wie es um die erfolgreiche Umsetzung der Compliancepolitik in den Unternehmen bestellt ist, zeigen etliche Studien, die in den letzten Jahren von führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und anderen Einrichtungen vorgestellt wurden.

Interessante Erkenntnisse liefert zum Beispiel die zweite Compliance-Benchmarkstudie von KPMG aus dem Jahr 2013: „Analyse des aktuellen Stands der Ausgestaltung von Compliance Management-Systemen in deutschen Unternehmen“. Ich zitiere einige Statements aus der Zusammenfassung der Ergebnisse, die die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung von Complianceregeln deutlich machen:

„Compliance ist nach wie vor eines der Topthemen in deutschen Unternehmen. Es fällt jedoch auf, dass die Befragten die Ausgestaltung ihres Compliance Management-Systems – oftmals im Widerspruch zu den vorhandenen Vorkehrungen – weitaus wirksamer einschätzen, als es tatsächlich ist. Die Risiken sind hierbei nicht zu unterschätzen: Aus den Antworten ist zu schließen, dass circa 20 Prozent der börsennotierten und 40 Prozent der mittelständischen Unternehmen über kein institutionalisiertes Compliance-Risikomanagement verfügen. Ohne eine systematische Erfassung von Compliance-Risiken ist es schwierig, geeignete risikominimierende Maßnahmen zu entwickeln.“

An anderer Stelle heißt es: „Eines der wesentlichen Ergebnisse der KPMG-Studie „Compliance – Modeerscheinung oder Chefsache?“ im Jahr 2011 war, dass Compliance von Unternehmen vornehmlich als Legal Compliance wahrgenommen wird. Während zum damaligen Zeitpunkt nur 17 Prozent der befragten Unternehmen angaben, dass der Begriff Compliance auch eine ethische Dimension mit Bezug zu Werten und Moral beinhaltet (ethische Compliance), hat die Bedeutung eines wirksamen Zusammenspiels von Werte- und Kontrollorientierung sowohl in börsennotierten Unternehmen mit 91 Prozent als auch im Mittelstand mit 71 Prozent in der Zwischenzeit signifikant zugenommen … Der Prozess fängt in den Köpfen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an. Ein Compliance Mindset kann gefördert werden, indem gezielte Compliance-Kultur- und -Kommunikationsmaßnahmen entwickelt werden.“

Dazu passen auch die Ergebnisse der umfangreichen Studie „Compliance im Mittelstand“ des Center for Business Compliance & Integrity (CBCI) der Hochschule Konstanz aus dem Jahr 2014 (hier gibt es übrigens auch Querverweise auf weitere Studien zum Thema). Folgendes Zitat spricht ebenfalls die kulturelle Facette der Compliance an: „Nahezu alle befragten Unternehmen verstehen unter Compliance in erster Linie die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen (97 %) sowie interner Verhaltensstandards und Richtlinien (95 %) … Für eine eindeutige Mehrheit (78 %) gehört auch das Leben einer bestimmten Werte- und Unternehmenskultur dazu. Diese wird jedoch oft nicht direkt mit den Aktivitäten in Zusammenhang mit Compliance in Verbindung gebracht, sondern steht sozusagen als Dach über dem jeweiligen Compliance-Programm.“

Ein Kapitel der Studie befasst sich speziell mit den Herausforderungen bei der Umsetzung von Compliance im Unternehmen, die laut den Verfassern „selten ohne Probleme verläuft und kontinuierlicher Anstrengungen bedarf – sowohl von den Führungspersonen als auch auf der Mitarbeiterseite.“ Als eine Hauptherausforderung wird beschrieben, menschliches Verhalten zu ändern im Sinne eines regeltreuen und integren Verhaltens aller Unternehmensmitglieder. Die Ausführungen machen deutlich, dass richtiges Handeln von Führungskräften und Mitarbeitern mit Regeln und Kontrolle ihrer Einhaltung allein nicht erreicht wird.

Last but not least möchte ich auf das Whitepaper „Compliance Readiness in deutschen Unternehmen 2015“ der Firma Recommind hinweisen, das Ergebnisse einer aktuellen Befragung von 169 deutschen Unternehmen beschreibt. Auch hierin wird deutlich, dass Compliance weniger am Grundverständnis und an der nowendigen Organisation mangelt, sondern an der konsequenten, dauerhaften Umsetzung. So heißt es zum Beispiel, dass in jedem dritten Unternehmen das Compliance Management auf halber Strecke stehen bleibt, weil es u.a. kein geregeltes Vorgehen beim Umgang mit Compliance-Verstößen gibt. Zwischen „Ideal und Realität klaffe eine Lücke.“

Fazit: Die Zufriedenheit, mit der Unternehmen ihre Compliance-Aktivitäten vorstellen, scheint gemessen am Ziel eines echten, tiefgreifenden Bewusstseinswandels unangemessen zu sein. Die Untersuchungen zeigen, dass die Kommunikation von Compliance-Regeln bislang nicht ausreicht, um eine Kultur des compliancekonformen Verhaltens in den Unternehmen nachhaltig zu verankern.

Dabei lassen sich aus Kommunikationssicht einige Schlüsselfaktoren identifizieren, die in der Praxis zu einer starken Kultur der Compliance beitragen können.

Kommunikative Herausforderungen:
Fünf unberücksichtigte Schlüsselfaktoren guter Compliance

„Dieselgate“ und Krisenfällen anderer Dax-Konzerne machen deutlich: Es gehört zum Auftrag der Unternehmenskommunikation, zu einer glaubwürdigen und praxisorientierten Compliance-Kultur beizutragen. Um das zu leisten, müssen Kommunikationsmanager allerdings fünf Aspekte stärker in den Vordergrund ihrer Arbeit stellen:

1.) Risiken und kritische unternehmensrelevante Themen  müssen intern aktiv kommuniziert werden

Die Unternehmenskommunikation muss sich mit Bick auf eine glaubwürdige und praxisfähige Compliance-Kultur besonders um Risikothemen im Innern kümmern, die Anliegen der internen Stakeholder kennen und aufgreifen.

Bloß zu vermitteln, welche Werte und Regeln in der Unternehmenspraxis für Mitarbeiter und Führungskräfte gelten und was das bedeutet, ist banal. Zwar gibt es auch hier, bei manchen Unternehmen Optimierungsbedarf, doch insgesamt funktioniert dieser Teil der Compliance-Kommunikation gut. Damit ist es aber längst nicht getan.

Unberücksichtigt bleibt nämlich zum Beispiel, dass sich Complianceregeln und Unternehmenswerte aus Sicht der Mitarbeiter und Führungskräfte ganz anders darstellen, wenn sich das Unternehmen einen Veränderungsprozess erfährt, etwa ein ehrgeiziges Wachstum im Kampf um die Marktführerschaft oder einen extremen Sparkurs verfolgt.

  • So beeinflusst ein dynamischer Wachstumskurs ganz erheblich die Wahrnehmung von Regeln und Werten. Damit ist nicht nur gemeint, dass diese bei Expansion in anderen Ländern auch kulturübergreifend verstanden, gelebt und die Einhaltung geprüft werden muss, sondern es müssen vorgegebene Wachstumsziele und Complianceregeln auch glaubwürdig zusammenpassen. Wenn z.B. Märkte, in denen man wachsen will, besondere Investitionen verlangen (z.B. Dieseltechnologie in den USA), kann Kostendruck an falscher Stelle zu compliancewidrigem Verhalten verleiten, weil Mitarbeiter weiterhin mit Erfolgen glänzen wollen und diese möglicherweise unlauter zu erreichen versuchen. Jeder Mensch versucht schließlich, einem Druck auszuweichen, insofern sind Regelverstöße zwar nicht akzeptabel, aber verständlich. In einem offenen, vertrauensvollen konzernweiten Dialog können solche drohenden Konflikte frühzeitig identifiziert werden. Hierbei spielt auch der Tenor der Kommunikation eine Rolle. Wenn alles an einem Motto „stärker, größer, profitabler“ ausgerichtet ist, fördert das nicht unbedingt eine kritische Compliance-Kultur und die Sensibilität für Regeln.
  • Berücksichtigt und thematisiert werden sollte auch, dass wachstumsstarke Unternehmen andere Prozesse zur Qualitätssicherung (und zur Sicherung eines konzernweit gemeinsamen Qualitätsverständnisses) brauchen. Qualitätsdenken kann man nicht einfach verordnen bzw. einfordern, man muss es vorleben, begreifbar machen und konzernweit verankern. Und dies geht nur auf kommunikativem Weg.
  • Auch große Change- oder Effizienzsteigerungsprogramme sind ohne begleitende Kommunikation und kulturelle Signale eine Gefahr für die Compliance. Leistungserwartung, Effizienzdruck und leitbildkonformes Verhalten können in solchen Phasen in einen Zweispalt geraten. Mitarbeiter fragen sich dann unter Umständen, welche Spielräume sie zur Erreichung verschärfter Umsatz- und Renditeziele übrhaupt noch haben, ohne Complianceregeln zu umgehen. Diese Perspektive der betroffenen Mitarbeiter wird im Top-Management bei der Propagierung von Effizienzsteigerungsprogrammen oft ausgeblendet, daher ist hierzu intensive Kommunikation nötig. Nur dann stehen Regeln, Werte und unternehmensstrategische Entscheidungen in der internen Wahrnehmung glaubwürdig im Einklang und schaffen die Basis für eine Kultur der Compliance.

Die Liste dieser Themen- und Handlungsfelder ließe sich fortsetzen. Fest steht: Veränderungen im  Unternehmen können zu einem anderen Blick auf Complianceregeln führen. Deswegen muss die Unternehmenskommunikation vor allem darauf ausgerichtet sein, kontinuierlich Risiken, mögliche Konflikte und generell kritische Themen sowie den daraus folgenden Kommunikationsbedarf zu erkennen und entsprechend zu handeln. Kurz gesagt: Die richtigen Themen in der internen Kommunikation sind enorm wichtig für eine Kultur der Compliance.

2.) Befähigung zur Kommunikation:
den guten Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern fördern

Studien zeigen, dass ein bedeutender Teil von Complianceverstößen durch Führungskräfte und Top-Manager entweder direkt begangen oder maßgeblich beeinflusst wird. Möglicherweise war das auch bei „Dieselgate“ der Fall. Hier zeigt sich eines der größten, weithin unberücksichtigten Problemfelder: die Kommunikation an der Schnittstelle zwischen Führungskräften und MitarbeiternGerade in kritischen Situationen, wenn Mitarbeiter in einen Konflikt geraten, ist die transparente, offene und vertrauensvolle Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern wichtig. Das ist zu berücksichtigen, wenn man die Orientierung an Verhaltensgrundsätzen und Unternehmenswerten nachhaltig verbessern will. Werteorientierung macht das Leben nicht immer auf Anhieb leichter, zwischen Verhaltensvorschriften und gelebter Praxis kann es zu Fragen oder Konflikten kommen. Dann müssen Führungskräfte den sicheren Kurs aufzeigen können.

Für die Kommunikationsmanager heißt das: Sie müssen speziell die Führungskräfte des Unternehmens dazu befähigen, alle compliancerelevanten Themen und sämtliche mitarbeiterspezifischen Themen, die sich im Umgang mit Complianceregeln ergeben, im Dialog mit ihren Mitarbeitern gut zu vermitteln. Nur so kann die Brücke geschlagen werden zwischen dem Anspruch der Compliance-Organisation und der täglichen Arbeitspraxis. An diesem fehlenden Zwischenstück ist offenbar auch Volkswagen gescheitert.

3.) Unternehmenswerte und Leitbild kontinuierlich spannend und attraktiv vermitteln

Leitbilder und Unternehmenswerte haben nur dann einen Sinn, wenn ihre Umsetzung immer wieder unternehmensintern thematisiert wird. Was es bedeutet, ein Unternehmensleitbild aktuell und praxisrelevant zu halten, habe ich im Beitrag „Wenn Leitbilder unglaubwürdig machen“ beschrieben.

Kommunikationsprofis sind in der Vermittlung und Einbindung von leitbild- und werterelevanten Themen gefordert, tatsächlich aber oft einfallslos. Das schadet der Compliance-Kultur. Sie lebt davon, dass Werte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern Gegenstand eines lebendigen Diskurses sind.

Deswegen reicht es nicht, dass man Verhaltensgrundsätze nur vorschreibt, damit sie befolgt werden; sie müssen gelebt werden. Compliance, Leitbild und Unternehmenswerte zu verzahnen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe der Kommunikation.

4.) Kommunikation muss eine führende Rolle im Compliance-Management spielen

Die Einführung von Compliance-Organisationen als eigene Unternehmenseinheiten führt in vielen Unternehmen zu einer einseitigen (meist juristisch dominierten) Betrachtung. Compliance wird nicht als Schnittstellenfunktion, sondern als Regel-Kontroll-Instanz betrachtet. Dabei ist schon die Aufgabenverteilung und Einflussgrenze zwischen Compliance-Beauftragten (manchmal als verlängerter Arm der Rechtsabteilung), interner Revision und Risikomanagement nicht immer ganz klar.

Damit eine Compliance-Kultur entsteht, ist es aber wichtig, dass die Schnittstellen zwischen all diesen Bereichen, die einen Beitrag zum richtigen Verhalten von Mitarbeitern leisten, gut funktionieren. So ist z.B. auch das Personalmanagement compliancerelevant, weil es direkt beeinflussen kann, wie Verhaltensregeln in die Personalentwicklung und -förderung integriert werden. Aber auch die Unternehmenskommunikation muss im Austausch zwischen Compliance, Revision, Risikomanagement, Personal und dem Top-Management die richtigen Themen, Botschaften und Maßnahmen identifizieren und umsetzen, die zur Compliance-Kultur beitragen. Der Austausch an den Schnittstellen der jeweiligen Bereiche muss gut funktionieren.

5.) Top-Management braucht Complianceberatung durch die Unternehmenskommunikation

Complianceverstöße haben massive Konsequenzen für das Unternehmen, oft sind sie sogar existenzgefährdend. Da es zum Auftrag der Unternehmenskommunikation gehört, schon mit Blick auf Reputationsschäden und Kommunikationsfallen grundsätzlich alle mögliche Risiken und Konflikte frühzeitig zu identifizieren, ist sie auch in Complianceangelegenheiten als Aufklärer, Warner und Mahner  gegenüber dem Top-Management prädestiniert. Das schließt auch mögliche Verfehlungen oder (schwer kommunizierbare) Fehlentscheidungen des Top-Managements mit ein, die angesprochen werden müssen (wer sonst könnte solche kritischen Betrachtungen mit dem Top-Management offen führen, wenn nicht die Kommunikationsleitung?). Wenn das oberste Kommunikationstandem aus CEO und Kommunikationschef funktioniert und den Austausch auch zu allen kritischen, compliancerelevanten Themen nicht scheut, sollte die Organisation zumindest vor „Überraschungen“ geschützt sein und im Fall von bekannt gewordenen Regelverstößen frühzeitig einen Ausweg finden können.

Wie die Compliance-Organisation aufgestellt sein könnte, um die kulturelle Verankerung von Verhaltensregeln in der Unternehmenspraxis zu fördern, zeigt das Schaubild. Es zeigt die Weiterentwicklung von der herkömmlichen Complianceorganisation (links) zur einer erweiterten Struktur (rechts). Die Unternehmenskommunikation hat darin (ebenso wie das Personalmanagement) eine wichtige Rolle. Anders gesagt: Wenn Kommunikationsanforderungen nicht mitgedacht werden, bleibt jegliches Bemühen um gute Compliance auf halbem Wege stecken.

Compliance-Organisation5-Punkte-Programm für Kommunikationsmanager

Aus den genannten Koordinaten, die eine lebendige Compliance-Kultur bestimmen, ergeben sich im wesentlichen fünf konkrete Anforderungen an die Unternehmenskommunikation:

  1. Kommunikation muss risikoorientiert aufgestellt sein. Das heißt, alle unternehmens- und compliancerelevanten Risiken müssen konsequent berücksichtigt werden (z.B. der mögliche Konflikt zwischen Effizienzdruck oder vorgegebenen Wachstumszielen und fehlenden Möglichkeiten, diese mit den bestehenden Produkten, Technologien oder Arbeitsprozessen zu erreichen). Diese Anforderung beginnt schon mit der Kommunikationsplanung, für die das  Kommunikationsprofil mit Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der internen und externen Kommunikation eingeschätzt werden muss (über ein geeignetes Verfahren hierfür habe ich in einem Factbook berichtet). Aber diese Anforderung gilt auch grundsätzlich: Nur wer selbst für Risiken sensibel ist, kann andere erfolgreich für Risiken sensibilisieren.
  2. Kommunikation muss befähigen. Kommunikationsmanager müssen Führungskräfte gerade im sensiblen Themenfeld der Compliance dazu befähigen, gut und offen mit ihren Mitabeitern zu kommunizieren. Gerade wenn es darum geht, Complianceregeln und Verhaltensgrundsätze des Unternehmens ernst zu nehmen, ist diese Hilfe gefragt. Führungskräfte sind dann als Vertraute, als Ratgeber und als Entscheider gefordert. Bei drohenden Verstößen oder Regelkonflikten ihrer Mitarbeiter dürfen sie nicht wegsehen. Stillschweigendes Dulden macht sie leicht zu „Mittätern“. Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist es, Führungskräften diese Rolle und Verantwortung immer wieder klar zu machen und sie mit passenden Kommunikationsangeboten zu unterstützen.
  3. Kommunikation muss Compliance und Leitbild vernetzen. Die Pflege und Weiterentwicklung des Unternehmensleitbilds setzt den Rahmen für die erfolgreiche Umsetzung von Complianceregeln. Deswegen ist dies ein wichtiges Handlungsfeld für Kommunikationsmanager. Es muss immer wieder anhand praktischer Beispiele deutlich gemacht werden, wie die Einhaltung von Verhaltensgrundsätzen und Werten bei jedem einzelnen Mitarbeiter die Kultur und letztlich auch den Erfolg des ganzen Unternehmens beeinflusst. Es gilt, Leitbild-, Werte- und Complianceaspekte zu vernetzen, sie „greifbar“ zu machen und den unternehmensinternen Dialog dazu lebendig und aktuell zu halten.
  4. Kommunikationsmanager müssen auch Compliance-Manager sein. Unternehmenskommunikation spielt im Compliance-Management eine wichtige Rolle, weil sie an den Schnittstellen verschiedener Bereiche aktiv ist, die zur Umsetzung einer Compliance-Kultur beitragen. So können Kommunikationsmanager ebenso wie die Kollegen aus dem Personalbereich Erkenntnisse aus dem Risikomanagement und der Revision nutzen, um daraus geeignete Maßnahmen abzuleiten. Andersherum können auch Maßnahmen im Compliance-Management, in der Revision oder im Risikomanagement angeregt werden, wenn Kommunikationsmanager aus ihrer Sicht auf Konflikte und Klärungsbedarf aufmerksam machen. Die PR-Profis sind auch eine zuverlässige Instanz, die sagen kann, ob die jeweiligen Regeln im Unternehmen überhaupt verstanden werden. Gute Compliance ist auf den Austausch an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen angewiesen.
  5. Der Kommunikationschef muss sich als kritischer Complianceberater des Vorstands beweisen. Die Unternehmenskommunikation sorgt dafür, dass Compliancethemen auch aus Kommunikationssicht auf der Agenda des Vorstands bleiben. Die Nähe zwischen CEO und Kommunikationschef muss dazu genutzt werden, auf mögliche kritische Entwicklungen und ihre Auswirkung auf die Wahrnehmung und Reputation des Unternehmens hinzuweisen. Die von der Compliance abgedeckten möglichen Risiken sind so vielfältig und unter Umständen so bedeutend, dass eine Beratung aus Kommunikationssicht zwingend notwendig ist.

Fazit

Unternehmen schützen sich mit umfangreichen Compliance-Organisationen immer besser vor reputations- und existenzgefährdenden Risiken. Die Erfahrung zeigt aber, dass Complianceregeln, ihre Kontrolle, Schulungen und begleitende Trainings nur dann nachhaltig wirksam sind, wenn es den Unternehmen gelingt, eine glaubwürdige Compliance-Kultur zu etablieren. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe für die Unternehmenskommunikation, die integraler Bestandteil einer Compliance-Organisation sein muss.

Sie muss im Unternehmen den Weg zur Compliance-Kultur aufzeigen. Dieser Weg bedeutet eine Entwicklung, die über die üblichen Compliance-Maßnahmen hinaus geht. Die Unternehmenskommunkation trägt hierzu bei, wenn sie fünf zentrale Punkte im Blick behält und

  • sich konsequent risikoorientiert aufstellt,
  • Führungskräfte zur Kommunikation compliancerelevanter Themen mit den Mitarbeitern befähigt,
  • die Kommunikation des Leitbilds, der Unternehmenswerte und von Complianceregeln vernetzt, deren Sinn klar macht und die Mitarbeiter so für eine starke, glaubwürdige Unternehmenskultur begeistert,
  • an den Schnittstellen zu allen compliancerelevanten Unternehmensbereichen für Austausch und Sensibilisierung sorgt,
  • den Beratungsauftrag gegenüber dem Top-Management auch bei kritischen Compliancethemen nicht vergisst.

So bekommen Complianceanliegen in den Unternehmen neue Schubkraft. Und vielleicht lässt sich dann doch die eine oder andere Unternehmenskrise vermeiden.

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