(Der Text basiert auf einem Beitrag, der im März 2015 im White Paper über Wissensmanagement des Wissensdienstleister Nimirum erschienen ist)*
Zu den vielen Aufgaben, die Kommunikationsmanager leisten müssen, gehört das Management des Wissens. Die Beschaffung, Bewertung, Verwertung und Weitergabe von Wissen im weitesten Sinne, also beispielsweise von Informationen, Erklärungen und Einschätzungen, ist das Kerngeschäft der Unternehmenskommunikation und Grundlage für die erfolgreiche Gestaltung aller Stakeholderbeziehungen.
Natürlich sind alle Akteure im Unternehmen – vor allem auch die Unternehmensleitung – darauf angewiesen, dass das Wissen im Unternehmen gut und effizient gemanagt wird. Aber Kommunikationsmanager haben bei der Nutzung dieser Ressource eine besondere Verantwortung, da sie Entscheidungsprozesse beeinflussen und nicht nur den Kommunikationsbedarf kennen, sondern in vielen Fällen auch den Bedarf an Wissen im Unternehmen, das für bestimmte Entscheidungen notwendig ist, gut einschätzen können.
Unternehmen sind in ihrem Wissensmanagement ganz unterschiedlich aufgestellt und längst nicht alle nutzen diese Ressource effektiv, um einen Mehrwert zu erreichen, beispielsweise um Impulse für Innovationen in der Wertschöpfungskette zu entwickeln. Wie also können wir Wissen verfügbar machen und konkret vom Wissen zum Added Value gelangen? Jedes Unternehmen wird auf diese strategisch wichtige Frage eigene spezifische Antworten finden. Die folgenden Betrachtungen regen dazu an.
Besseres Wissensmanagement ist ein Wertbewerbsvorteil
Überall in der Wirtschaft steigt der Erfolgsdruck. Wesentliche Rahmenbedingungen haben sich dramatisch verändert und machen Wissen zum bedeutenden Erfolgsfaktor. Der Wettbewerb wird zunehmend härter, Budgets knapper, Erwartungen von Kunden und Stakeholdern wandeln sich. Bei all dem ist es nicht immer leicht, Zukunftschancen und Risiken der Geschäftsentwicklung genau einzuschätzen. Viel hängt von der richtigen Grundlage für die strategischen und operativen Entscheidungen ab. Diese wird durch die Nutzung und das Management des Wissens geschaffen.
Wir leben in einer Wissensgesellschaft, in der Informationen sowie ihre Einschätzung und Bewertung einen Wettbewerbsvorteil bedeuten und wesentlichen Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette haben können. Wissen effizient und bedarfsorientiert zu managen und diese wichtige Ressource stets aktuell und überall im Unternehmen verfügbar zu halten, ist daher eine der wichtigsten Herausforderungen modernen Managements. Hierbei gibt es große Unterschiede in den Unternehmen, sowohl in der Generierung und Aufbereitung des notwendigen Wissen als auch in seiner Nutzung. Auch die Bedeutung des Wissensmanagements für den Unternehmenserfolg wird unterschiedlich und oft viel zu gering eingeschätzt.
Wissen ist nicht nur der Treibstoff, ohne den keine Wertschöpfungskette funktioniert, es ist auch Motor für Innovationen. Daher lohnt es sich, regelmäßig zu prüfen, was man im eigenen Unternehmen im Umgang mit der Ressource Wissen verbessern kann. Mit der geeigneten Infrastruktur, mit leistungsfähigen Partnern und vor allem mit einer wissensaffinen Unternehmenskultur kann man nämlich bestehende Handlungsspielräume ausnutzen und neue Spielräume erschließen.
- So lassen sich Innovationen initiieren und effizient umsetzen.
- So lassen sich notwendige Veränderungen bzw. Anpassungen von Unternehmensbereichen mit Blick auf spezifische Chancen oder Risiken besser initiieren und vorbereiten.
- So können aber auch unternehmensrelevante Reputationstreiber identifiziert und nutzbar gemacht werden.
Worum es generell bei der Nutzung der Ressource Wissen geht, zeigen drei Argumente.
1.) Wissen ist wichtig, um komplexe Innovations- und Veränderungsprozesse entlang der Wertschöpfungskette zu beherrschen
Ein wesentliches Prinzip der global vernetzten Wirtschaft lautet: „Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen fressen die Langsamen.“ Damit rücken Flexibilität und Reaktionsfähigkeit bei der Erfüllung veränderter Kunden- und Stakeholdererwartungen in den Vordergrund.
Wer diesen Anspruch erfüllen will, muss Trends und Entwicklungen nicht nur frühzeitig erkennen, sondern die Relevanz für das Unternehmen bzw. für die spezifischen Anforderungen in der eigenen Wertschöpfungskette richtig einschätzen und auf dieser Basis konkrete Weichenstellungen initiieren. Der Umgang mit der Ressource Wissen ist der Dreh- und Angelpunkt, um den Veränderungsbedarf kontinuierlich zu erkennen und Anpassungen oder Weichenstellungen anzuregen. Dabei kommt es auf Qualität und auf Aktualität an. Wissen hilft auch, das Zusammenspiel und die komplexen Erwartungen und Interessen der einzelnen Akteure in der Prozessskette besser zu beherrschen.
Da zum Beispiel Leistungsangebote und Produktlebenszyklen heute meist mit intensiver Einbindung von Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern geplant werden, müssen Unternehmen müssen ein wesentlich breiteres und tieferes Wissen überschauen und nutzen als früher.
- So muss etwa ein Konsumgüterproduzent eine umfassende Kenntnis der Lebenswelten und veränderten Konsumgewohnheiten der Käuferzielgruppen haben.
- Er muss die Situation am Point of Sale genauso gut kennen wie seine Handelspartner.
- Er muss frühzeitig erkennen, wenn politische oder gesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse Einfluss auf seine Wertschöpfungskette nehmen.
- Und er muss alle neuesten technischen Möglichkeiten kennen, mit denen er die Wertschöpfungskette effizient und zukunftsorientiert gestalten kann.
Dazu müssen nicht nur die richtigen Fragen gestellt und entsprechende Recherchen durchgeführt werden, das Wissen muss auch in handhabbarer Form verfügbar sein, damit es unternehmensweit genutzt werden kann, sei es in der Unternehmensentwicklung, dem Produktmanagement, dem Vertrieb, dem Marketing, aber auch im Kommunikationsmanagement. Alle, die intern und extern an der Wertschöpfungskette beteiligt sind, müssen daraus Konsequenzen für ihr eigenes Tätigkeitsfeld ableiten können, z.B. neue Arbeitsaufträge. Eine hohe Praktikabilität von Wissen ist entscheidend, denn kaum jemand hat Zeit, sich in lange Studien zu vertiefen. Gefragt ist Wissen, das rasch und punktgenau die Indikation für den eigenen Verantwortungsbereich aufzeigt. Sonst wird das Wissen nicht genutzt.
Bei der Bewältigung kritischer Unternehmenssituationen ist effizientes Wissensmanagement ein Qualitätsmerkmal, zum Beispiel wenn es darum geht, in komplexen Veränderungsprojekten Chancen und Risiken zu erkennen und sicherzustellen, dass Termine, Kosten und Qualitätsstandards eingehalten werden. Hier liegt die Herausforderung nicht nur darin, bei allen Beteiligten eine maximale Orientierung über Ziele, Hintergründe und besondere Anforderungen eines neuen Geschäftskurses sicherzustellen, sondern neue Informationsbedarfe zu erkennen und gezielt zu befriedigen.
Wenn Innovationsprozesse schleppend verlaufen oder Change-Programme ihre Ziele nicht erreichen, liegt die Ursache oft auch im optimierbaren Wissensmanagement begründet. Dann wurden vielleicht relevante Punkt nicht richtig recherchiert oder bewertet, wichtige Fragen nicht gestellt, Erkenntnisse nicht in Form von Planungsmodifikationen oder anderen konkreten Maßnahmen nutzbar gemacht. Fehler im Wissensmanagement können den Erfolg wichtiger Projekte gefährden.
Wissen braucht eine leistungsfähige Infrastruktur
Einer vernünftigen Wissensnutzung stehen oft starre, hierarchische Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen im Weg. Bisweilen wird der Bedarf an Wissen nicht rechtzeitig oder nicht umfassend genug erkannt, sei es aus Zeitmangel, Selbstüberschätzung oder unternehmenspolitischen Gründen. Um das zu vermeiden, ist eine leistungsfähige Infrastruktur für die Wissensnutzung erforderlich. Sie muss alle Stufen und Details der Wertschöpfungskette berücksichtigen.
Manche Unternehmen halten dafür eine komplexe Infrastruktur vor, in der das unternehmensrelevante Wissen beispielsweise aus international verfügbaren Quellen (wie etwa internationalen Studien und Fachbeiträgen) gesammelt, seine Wichtigkeit geprüft und zur weiteren Bearbeitung an die betreffenden Unternehmensbereiche weitergeleitet wird. Eingebunden in virtuelle Arbeitsnetzwerke des Unternehmens und angeschlossen an das Issue Management sorgen solche Infrastrukturen dafür, dass Trends frühzeitig entdeckt oder selbst entwickelt werden können, dass daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet werden und auf diese Weise das Unternehmen in wichtigen Themenfeldern seine „First Mover“-Rolle unterstreichen kann.
Viele Unternehmen stellen ihren Führungskräften dafür parallel zum täglichen Pressespiegel auch speziell aufbereitete „Wissens-Newsletter“ zur Verfügung. Um ein Beispiel zu nennen: In meiner Zeit als Leiter der Konzern-PR des Handelskonzerns Metro Group wurden die obersten Führungskräfte wochentäglich mit einem kompakt aufbereiteten, auf weltweit verfügbare News und Infos ausgerichteten Newsletter versorgt. Mit diesem damals neuartigen Instrument konnten wir die Innovationskultur konzernübergreifend erheblich unterstützen.
In Unternehmen, die auf solch eine Wissens-Infrastruktur verzichten, sind Innovationen oft eher zufallsgetrieben. Sie sind abhängig von der Expertise der Mitarbeiter und vor allem von deren Bereitschaft, eigenes Wissen im Unternehmen zu teilen. Nicht nur die Generierung von Wissen ist dann schwierig, sondern auch die richtige Bewertung und die Nutzbarmachung.
Auch wenn man über die Standardisierung von Wissen streiten kann, im Management der Ressource Wissen sollte man verbindliche Qualitätsstandards definieren. Klare Qualitätsstandards im Wissensmanagement sind Ausdruck einer zukunftsorientierten Unternehmenskultur. Wenn nämlich die richtigen Fragen gestellt, bei Bedarf Recherchen und Einschätzungen in Auftrag gegeben werden und vorhandenes Wissen auch konsequent genutzt wird, lassen sich Innovationen leichter umsetzen.
2.) Wissen erfordert nicht nur Expertise, sondern Experten
Was auf den ersten Blick nach Haarspalterei klingt, markiert einen wichtigen Unterschied: Unternehmen brauchen im Management der Ressource Wissen Expertise und Experten.
Experten bringen nämlich nicht nur Ihre Erfahrungen, Ihr fachliches Know-how und die Fähigkeit, Sachverhalte zu beschreiben und Zusammenhänge darzustellen, ein, sondern ihre persönliche Einschätzung und Bewertung. Darin liegt der Mehrwert, denn im Management von Wissen geht es nicht nur um die Zusammenstellung und Strukturierung von Fakten und Positionen, sondern in besonderem Maße um deren Einordnung bzw. um eine transparente Grundlage für die Bewertung des Wissens. Die Persönlichkeit des Experten hat darauf besonderen Einfluss.
Das Profil des Experten beeinflusst zum Beispiel die Art der Recherche, die Aufbereitung sowie die Reduzierung auf die wesentlichen Kernaussagen. Die Konsequenzen werden oft unterschätzt. Nicht selten kommen Vertreter der gleichen wissenschaftlichen Fachrichtung bei der Bewertung derselben Faktenlage zu völlig unterschiedlichen, teils sogar gegensätzlichen Bewertungen. Ohne genaue Kenntnis der spezifischen Expertenprofile könnten Unternehmen die Ergebnisse von Recherchen und Studien nur schwer einordnen. Gerade bei unternehmenspolitisch heiklen Fragestellungen braucht man auch Transparenz über den Hintergrund, mögliche Interessen und spezifische Motive des Experten, seine Schwerpunkte und seine Arbeitsprinzipien, seine fachlichen und persönlichen Erfahrungen.
Für Unternehmen heißt das: Sie müssen prüfen, wann und wozu sie welches Expertenwissen benötigen, welcher Art dieses Expertenwissen ist, wie es entsteht, wie und wo die Einbindung eines bestimmten Experten dem Unternehmen hilft.
3.) Wissen allein heißt nicht zwangsläufig Handeln; auf die Umsetzung kommt es an
Wie macht man Wissen im Unternehmen verfügbar, so dass es in den verschiedenen Prozessabläufen genutzt werden kann? Auch dieser dritte Aspekt wird oft unterschätzt. Wie sorgt man dafür, dass aus Wissen Erkenntnis und aus Erkenntnis konkretes Handeln erfolgt? Die Frage, wie Entscheidungen im Unternehmen zustanden kommen, welche Recherchen dafür notwendig sind und wie das Wissen aufbereitet wird, ist eine Sache. Die Umsetzung konkreter Erkenntnisse ist eine andere große Herausforderung. Wissen, das aufwendig recherchiert und bewertet wurde, aber im Geschäftsbetrieb keinen Niederschlag findet, trägt nicht zur Wertschöpfung bei. Erst wenn aus Wissen bzw. aus den Entscheidungen konkrete Fahrpläne für Optimierungs- oder Veränderungsmaßnahmen abgeleitet werden, entsteht ein Added Value. Dieser Schritt aber, vom Wissen zur Anwendung bzw. zur Umsetzung zu gelangen, erfordert ebenfalls hohe Aufmerksamkeit.
Das blosse Vorhandensein von Wissen löst nicht zwangläufig auch das notwendige Handeln aus. Die praktische Nutzung von Wissen erfordert vielmehr zusätzliche Maßnahmen, die unter Umständen schon bei der Recherche mitzuberücksichtigen sind: Praktische Anleitungen auf Detailebene zum Beispiel, didaktische Hilfestellungen für die Führungskräfte oder auch neue Formate für den internen Dialog und Austausch. Oft fängt die eigentliche Arbeit dann erst an. So können, um ein Beispiel zu nennen, Recherchen und differenzierte Ausführungen über eine nachhaltige Ausrichtung der Prozesskette das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters im Unternehmen schärfen. Die Frage aber, was konkret zu tun ist, wie sich Nachhaltigkeitserkenntnisse in der Praxis umsetzen und entsprechende Ziele erreichen lassen, führt in eine ganz andere Dimension. Vom Wissen zur Umsetzung ist es manchmal ein weiter Weg.
Bedeutung der Ressource Wissen für das Kommunikationsmanagement
Die genannten Argumente haben auch deutlich gemacht, dass der professionelle Umgang mit der Ressource Wissen im ureigenen Interesse von Kommunikationsmanagern liegen muss. Effizienz und Wirkung ihrer Arbeit werden dadurch unmittelbar beeinflusst. Je besser das Wissensmanagement organisiert ist, desto einfacher kann die PR an der Schnittstelle zum Top-Management, zu den jeweiligen Unternehmensbereichen und als Impulsgeber für das Innovationsmanagement die Auseinandersetzung mit wichtigen Themen anregen, die letztendlich die Wahrnehmung und den Markterfolg des gesamten Unternehmens berühren. Im Management des Wissens bieten Kommunikationsprofis genau den Mehrwert, der intern und extern von ihnen erwartet wird.
Fazit
- Wissen ist eine wichtige, aber oft unterschätzte Unternehmensressource. Sie ist die Basis für strategische und operative Weichenstellungen und erfordert deswegen ein professionelles Management.
- Dabei reicht es nicht nur, die richtigen Fragen und Themen auf der Agenda zu haben, man muss sich auch um die angemessene Infrastruktur für die Erschließung, Aktualisierung und Nutzbarmachung des Wissens bemühen.
- Experten bringen außer ihrer Expertise auch persönliche Werte und Bewertungskriterien sowie ihren individuellen Blickwinkel ein. Hierüber brauchen Unternehmen Transparenz. Daher sollten sie nicht nur auf die richtige Expertise achten, sondern die Einbindung der passenden Experten kritisch prüfen.
- Und schließlich: Wissen führt nur dann zu einem Added Value, wenn die Nutzbarmachung gelingt. Es muss praktikabel sein. Wenn Erkenntnisse vorliegen und Entscheidungen vom Management getroffen, ist das Wissensmanagement nicht beendet; die Arbeit beginnt dann erst – mit der effizienten Nutzung.
*) Der Originalbeitrag ist (in leicht gekürzter Fassung) im März 2015 im White Paper des Wissensdienstleisters Nimirum „Wie Sie im Unternehmen vom Wissen zur Entscheidung gelangen“ erschienen.