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Kaum eine Branche ist so sehr auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen angewiesen wie die Lebensmittelwirtschaft. Kaum eine Branche hat es aber gleichzeitig so schwer, eine angemessene Wertschätzung in der Bevölkerung zu erfahren. Das hat Konsequenzen, denn unser Verhältnis zu Lebensmitteln und zu denen, die an der Wertschöpfungskette beteiligt sind, ist auch ein Spiegelbild für die Befindlichkeit der Gesellschaft. Respekt, Werteorientierung und Gemeinschaft oder Beliebigkeit, Überfluss und Individualismus, viele Trends stehen in deutlichem Zusammenhang mit der Frage, wie wir mit Lebensmitteln umgehen und ihren Wert schätzen. Und natürlich werden auch Wachstum und Erfolg von Unternehmen in der Ernährungsindustrie, eines der bedeutendsten Wirtschaftszweige überhaupt, dadurch beeinflusst.

Die Lebensmittelwirtschaft müsste demnach ein fundamentales Interesse haben, in der Öffentlichkeit, bei Verbrauchern, aber auch gegenüber Medien und Politik ein starkes, glaubwürdiges Profil zu entwickeln.


Den offiziellen Brancheninstitutionen fällt das schwer, dies hat jüngst wieder die Jahrestagung des maßgeblichen Branchenverbands BLL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde) in der vergangenen Woche gezeigt. Es schien wie ein Spiel mit vertauschten Rollen: Die leidenschaftlichen Plädoyers, den Wert von Lebensmitteln selbstbewusst und aktiv im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern, kamen nämlich nicht aus der Branche, sondern aus der Politik und von Gewerkschaftsseite – Bundesministerin Ilse Aigner und NGG-Chef Möllenberg haben eine deutlich positivere Profilierung angemahnt.

Woran also liegt es, dass die Lebensmittelwirtschaft nicht die ihr angemessene Wertschätzung in der Gesellschaft erfährt? Lesen Sie eine Spurensuche im Schnelldurchlauf und drei konkrete Empfehlungen für eine hohe Glaubwürdigkeit und gute Reputation der Branche.

Wie ist das Verhältnis der Verbraucher zu Lebensmitteln?

Ein kleiner, aber stetig wachsender Teil der Bevölkerung steht für kritisch reflektierten Konsum und für einen bewussten Lebensstil. Eine Teilmenge davon, ich nenne sie die LOHAS-Aktivisten („LOHAS“ = „Lifestyle of Health and Sustainibility“) bekennt sich offensiv dazu, der Rest handelt und entscheidet stillschweigend nach den Prinzipien eines ausgewogenen, verantwortungsbewussten Lebensstils. In dieser Gruppe erfahren Lebensmittel generell eine hohe Wertschätzung, aber die Angebote der Lebensmittelwirtschaft werden differenziert und teilweise kritisch betrachtet.

Bei den übrigen Verbrauchern und damit beim Großteil der Bevölkerung lässt sich das Verhältnis zu Lebensmitteln mit folgenden Faktoren beschreiben:

  1. Das Verhältnis ist ambivalent: Die Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, hat jüngst dargestellt, dass die Mehrheit der Deutschen die Qualität der Lebensmittel grundsätzlich für hoch hält. Einwandfreie Qualität gilt mithin als selbstverständlich. Gleichzeitig gibt es ein grundsätzliches Misstrauen und eine Angst vor möglichen Gefährdungen durch Qualitätsvorfälle. Darauf deutet die Studie ARAG Trend 2011 der Versicherungsgruppe ARAG hin. Mehr als die Hälfte der Verbraucher hält demnach Lebensmittelskandale nur für die Spitze des Eisbergs. Bringt man die verschiedenen Erhebungen und Untersuchungen auf einen Nenner, zeigt sich eine spezifisch deutsche Einstellung (die auch in anderen Lebensbereichen zu beobachten ist): „Die Bewertung – in diesem Fall von Lebensmitteln – ist gut, aber sie könnte schlecht sein.“
  2. Das Verhältnis ist von einem Überfluss der Angebote geprägt. Alles ist verfügbar, in jeder beliebigen Variante und zu generell günstigen Preisen. In vielen Lebensmittelsegmenten, vor allem bei Grundnahrungsmitteln, herrscht eine extreme Preisorientierung, die eine Wertschätzung von Lebensmitteln verhindert, ansonsten zeigt der Verbraucher ein hybrides Verhalten zwischen Preis- und Luxusorientierung je nach Anlass.
  3. Das Verhältnis wird durch ein insgesamt schwaches Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen hohen und geringen Qualitätsstufen geprägt. Wertschätzung kann sich aber nur dort entwickeln, wo beispielsweise hohe geschmackliche Qualität auch erkannt und bewusst erlebt wird.
  4. Das Verhältnis ist durch eine Hypersensibilität bei Skandalen geprägt. Ständig verfeinerte Messmethoden führen zu „gefühlten“ Risiken bei Lebensmitteln, auch wenn wie im Fall der Dioxinbelastung tatsächlich gar keine gesundheitliche Gefährdung vorliegt. Eine eigennützige Medienmaschinerie weiß die Angst in solchen Fällen für eigene Zwecke zu schüren und setzt damit wiederum die Politik unter Druck, die auch auf lediglich „gefühlte“ Risiken reagieren muss. Der Chef des Bundesinstituts für Risikobewertung BfR, Andreas Hensel, wird nicht müde, auf die Verschiebung von Klarheit und Wahrheit durch diese Hypersensibilität hinzuweisen.
  5. Das Verhältnis ist auch durch ein insgesamt geringes Wissen der Bürger über Lebensmittel geprägt, insbesondere über den richtigen Umgang mit ihnen und über ihre gesundheitliche Bedeutung. So hat Andreas Hensel in verschiedenen Vorträgen deutlich gemacht, wie weitgehend unbekannt beispielsweise die natürlichen Gifte in Lebensmitteln sind und wie weit demgegenüber künstliche Gifte überschätzt werden. Parallel dazu wird auch der Einsatz von Technologie im Lebensmittelbereich von Verbrauchern skeptisch betrachtet.
  6. Der Verbraucher hat den direkten Bezug zur Wertschöpfungskette, vor allem zu Herstellung von Lebensmitteln verloren. Niemand will wissen, dass die leckere Wurst auf dem Tisch einen unvermeidlichen Schlachtungsprozess und professionelle Viehhaltung voraussetzt. Auch diese Entfremdung zwischen Produkt und Wertschöpfungskette macht es schwer, Wertschätzung und Respekt gegenüber Lebensmitteln zu entwickeln
  7. Ganz wesentlich wird das Verhältnis der Verbraucher zu Lebensmitteln durch einen insgesamt unausgeglichenen, ungesunden Lebens- und Konsumstil geprägt. Fehlernährung, Alltagshektik, mangelnde Bewegung sind Merkmale dieses inzwischen allgemein erkannten großen gesellschaftlichen Problems.
  8. Und schließlich wirken sich alle großen globalen Trends in irgendeiner Form massiv auf unsere Wertschätzung und unseren Umgang mit Lebensmitteln aus. Dazu zählen die Internationalisierung der Wirtschaft und der Konsumstile, generell veränderte Konsum- und Lebensgewohnheiten der Menschen, der extreme Individualismus, Krisen und soziale Unsicherheiten, aber auch positive Entwicklungen wie der Trend zur Nachhaltigkeit, zur Verantwortung und zur Reflexion.

Damit ist das Verhältnis der Verbraucher zu Lebensmitteln nur grob skizziert. Die Aspekte zeigen aber, auf welcher Grundlage glaubwürdige Kommunikation im Lebensmittelbereich aufsetzt, die zu einem positiven Einstellungswandel gegenüber Lebensmitteln beitragen will. Werfen wir nun im Kontrast dazu einen Blick auf die Akteure:

Wer und was beeinflusst das Verhältnis der Verbraucher zu Lebensmitteln?

Hier hilft die Perspektive des PR-Managements, das die Beziehungen zwischen Organisationen und Stakeholdern verstehen und möglichst positiv gestalten will. Aus dieser Sicht gilt es kritisch zu hinterfragen, wer überhaupt die Akteure sind, die durch Kommunikation mit den Verbrauchern deren Beziehung zur Lebensmittelwirtschaft prägen und wie sie deren Erwartungen erfüllen oder nicht erfüllen. Folgende Player spielen hier eine Rolle:

1.    Unternehmen

Das Verhältnis der Verbraucher zu Lebensmitteln wird durch die Angebote und Markenbotschaften der Lebensmittelindustrie dominiert. Wahrgenommen werden hauptsächlich Informationen auf der Verpackung, Produktwerbung und begleitende Verbraucherkommunikation. Auch die Werbung der Handelsunternehmen, die sich auf Preisinformationen konzentriert, gehört hierzu. Die Marketingabteilungen der Lebensmittelwirtschaft und des Handels sind also wichtige Akteure in der Kommunikation mit dem Verbraucher. Ihre Botschaften und Markenstories zielen aber nicht darauf ab, generell eine Wertschätzung für Lebensmittel zu erreichen, sondern den Verkauf zu fördern und die Differenzierung im Wettbewerb zu stärken.

Parallel zum Marketing bemühen sich die Unternehmen zum einen durch Sponsoring und Fördermaßnahmen, zum anderen durch umfassende PR- und Kommunikationsinitiativen sowie Themenkampagnen in einen Dialog mit den Verbrauchern und mit anderen Stakeholdern zu treten. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür liefert Nestlé mit dem Ernährungsstudio und mit der breit angelegten Ernährungsstudie. Das Gesamtengagement von Nestlé in diesem Bereich bietet jenseits des Marketings einen umfassenden Mehrwert für Verbraucher und Stakeholder, es demonstriert gesellschaftliche Verantwortung im Kerngeschäft und trägt zu einer differenzierten und positiven Einstellung gegenüber Lebensmitteln bei.

Zweifellos zahlen auch die emotionalen, imageorientierten Werbekampagnen von Rewe und Edeka dazu bei, dass sich Verbraucher ein positives Bild von der Lebensmittelwelt insgesamt machen. Dabei werden auch in besonderer Weise die Bemühungen um eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Ausrichtung der Geschäftspolitik thematisiert. Unternehmensübergreifende Kampagnen, die im Interesse der Gesamtbranche den Wert von Lebensmitteln hervorheben, gibt es allerdings nicht. Die bisher einzige groß angelegte Unternehmensinitiative des Handels dieser Art, die tatsächlich auf einen Bewusstseinswandel zugunsten eines gesunden Lebensstils abzielte, war die Kampagne „Gut für Dich“ der Metro Group.

Wenn es den Unternehmen gelänge, ihre Produkt- und Marketingkommunikation noch besser in das Profil einer nachhaltigen, verantwortungsbewussten und auf das Wohl der Verbraucher ausgerichteten Geschäftspolitik einzubinden, würde dies zweifellos die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelwirtschaft stärken.

2.    NGOs und Interessengruppen

Die gesellschaftliche Diskussion über Lebensmittel wird maßgeblich von NGOs, Interessengruppen und Verbraucherschutzorganisationen beeinflusst. Sie sind Agenda Setter „in negativer Form“, denn es sind in der Regel Negativthemen, Warnungen und Hinweise auf Qualitätsvorfälle und Versäumnisse der Lebensmittelwirtschaft, die sie in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung rücken. Sie erfüllen damit zweifellos eine wichtige Kontrollfunktion und einen gesellschaftlichen Auftrag, tragen aber durch ihre einseitige Perspektive, durch eine hohe Professionalität und Emotionalität der Kommunikation auch zu einem allgemeinen Misstrauen gegenüber Lebensmitteln bei. Sie haben erreicht, dass Lebensmittel heute allgemein nicht mit Wertschätzung, wertvollen Ressourcen und aufwändiger Wertschöpfung assoziiert werden, sondern mit Skandalen, denen der Verbraucher scheinbar ohnmächtig ausgesetzt ist.

3.    Politik und Behörden

Verbraucherschutz ist ein sensibles Thema. Weil Politik den Auftrag hat, Risiken zu erkennen und zu vermeiden (vor allem wenn es um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger geht), muss sie auf Ängste und Bedenken der Menschen rasch reagieren, auch wenn es sich nur um „gefühlte“, sachlich nicht begründete Risiken handelt. Erfüllt sie die Erwartungen der Bürger nicht, auch wenn diese durch die Medien (unnötig) geschürt wurden, verliert sie an Reputation und Glaubwürdigkeit. Unternehmensinteressen und Verbraucherschutzinteressen gut in Einklang zu bringen, ist dabei die große Herausforderung der Politik.

Wie schwer das ist, zeigt sich gerade bei dem Internetprojekt „Klarheit und Wahrheit“, mit dem Bundesministerin Aigner für Transparenz und Vertrauen im Lebensmittelbereich sorgen will. Insgesamt nimmt also auch die Politik Einfluss auf die Wertschätzung von Lebensmitteln. Allerdings haben Lebensmittel keine Lobby in der Top-Politik, sondern bleiben ein Spezialthema. Ein klares Bekenntnis zum Wert von Lebensmitteln und eine Würdigung der Lebensmittelwirtschaft beispielsweise durch die Bundeskanzlerin gab es bislang nicht. Automobile und Banken sind wichtiger.

Die Politik hat indessen erkannt, dass Initiativen für einen bewussten, gesunden Lebensstil oder für eine gesicherte, gute Warenqualität imagerelevant sein können. Daher gab es in den letzten Jahren etliche Maßnahmen mit ähnlicher Zielsetzung, die sich zusammen in der Wirkung nicht verstärkt, sondern eher geschwächt haben. So erfuhr beispielsweise die von Renate Künast initiierte Plattform Ernährung und Bewegung, eine der bedeutendsten Initiativen überhaupt, die indirekt auch ein Plädoyer für den verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln beinhaltet, nicht immer die notwendige Unterstützung der Nachfolger.

4.    Wissenschaft

Zu gesundheitlichen Fragen oder Risiken werden stets wissenschaftliche Meinungen im gesellschaftlichen Diskurs eingebunden. Sie spielen aber für die Wertschätzung von Lebensmitteln keine maßgebliche Rolle. Eine Ausnahme ist hier sicher das Bundesinstitut für Risikobewertung, dass sich mit klaren, ausgewogenen und verbrauchergerechten Botschaften um Orientierung der Verbraucher bemüht und in seiner aufklärenden Funktion öffentliche Wahrnehmung erfährt.

5.    Verbände

Beim Bemühung um eine stärkere Wertschätzung von Lebensmitteln liegt eine Schlüsselfunktion bei den Verbänden. Eine wettbewerbsintensive und marketinggetriebene Branche wie die Lebensmittelwirtschaft braucht zwingend eine selbstbewusste, übergreifend agierende Institution, die im Interesse der Gesamtbranche positive Themen aktiv vorantreibt und sich mit einem starken, glaubwürdigen Kommunikationsprofil dafür einsetzt, dass die Kernkompetenzen, die Leistungsfähigkeit und der gesellschaftliche Wertbeitrag der Lebensmittelbranche im öffentlichen Bewusstsein fest verankert sind.

Diese Position ist nicht besetzt. Das Sprachrohr der Lebensmittelwirtschaft, der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), versagt gerade in diesem wichtigen Feld. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verbände ihre eigenen Dynamik haben, vor allem wenn unter den Mitgliedern wenige große und viele kleine Unternehmen sind, die sich mit unterschiedlicher Schrittgeschwindigkeit den aktuellen Herausforderungen stellen.

Naturgemäß müssen Verbände Positionen bündeln und treffen sich dabei oft auf kleinstem gemeinsamen Nenner. Sie sind stark in der Formulierung von Dagegen-Positionen, wenn es um Forderungen etwa aus der Politik geht. Sie sind schwach, wenn es darum geht, aktiv und positiv Impulse und Zeichnen zu setzen für die Branche. Das ist auch in der Lebensmittelwirtschaft so und deswegen kommt die Branche nicht aus ihrer permanenten Rechtfertigungsrolle heraus. Es gelingt der führenden Brancheninstitution auch nicht, die Themenführerschaft im Lebensmittelbereich zu erlangen. Dies wäre allerdings notwendig, um langfristig Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen und den Wertbeitrag gut zu vermitteln.

Gleiches gilt auch für die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, die ebenfalls die Interessen der Lebensmittelwirtschaft vertritt. Die Interessenvertretung müsste grundsätzlich durch Informations- und Kommunikationsangebote für interessierte Verbraucher und Stakeholder ergänzt werden.

6.    Medien

Medien verarbeiten nicht nur Positionen und Botschaften der genannten Akteure, sie sind auch selbst Agenda Setter. Im Lebensmittelbereich nutzen sie unter dem Anlass von Qualitätsvorfällen oftmals eigene Kampagnen zur Profilierung, wobei sie sich häufig auf eine bestimmte Perspektive (z.B. „fehlende Verantwortung der Industrie“) oder einzelne Themenaspekte konzentrieren und komplexe Zusammenhänge nicht immer sachgemäß verkürzen. Ob dies dann der Orientierung der Verbraucher dient und dabei Ängste sowie „gefühlte“ Risiken der Bevölkerung sensibel berücksichtigt werden, ist fraglich.

Zwischenfazit

Wenn wir die Situation zusammenfassen, wird rasch klar, warum Lebensmittel im öffentlichen Ansehen nicht die gebührende Wertschätzung erfahren. Hier die primär marketinggetriebene Kommunikation der Lebensmittelproduzenten (und des Handels), die zwar die Wertigkeit des eigenen Angebots, nicht aber den Wert von Nahrungsmitteln an sich herausstellen, dort die negative oder skeptische Kommunikation von Interessengruppen. Dazu Verbände, die stark in politischer Interessenvertretung sind, aber ohne jegliche Kommunikationskompetenz.

Zwei wesentliche Akteure fehlen, die zu einem positiven Einstellungswandel der Bürger und zu einem Umdenken beitragen könnten: ein bedeutender Think Tank und glaubwürdige Testimonials, beispielsweise in der Werbung.
Ein Think Tank, der sich nicht nur mit Herausforderungen und Risiken von Lebensmitteln auseinandersetzt, sondern dabei ansetzt, ihren Wert bewusst zu machen, würde der Branche helfen.

Es gibt kleinere Think Tanks, die das Thema positiv aufgreifen. Das Denkwerk Zukunft, das sich mit dem Denkkreis „Lebens-Mittel“ dem Sujet widmet, ist ein gutes Beispiel, oder auch die Dr. Rainer Wild Stiftung mit ihrem umfassenden Engagement für gesunde Ernährung.

Die breite öffentliche Aufmerksamkeit, um einen großen Umdenkprozess auszulösen, haben diese Einrichtungen aber nicht. Bis vor wenigen Jahren wäre die CMA, die Marketinggesellschaft der Agrarwirtschaft, für diese Rolle prädestiniert gewesen. Wünschenswert wäre eine Einrichtung mit der Strahlkraft der Bertelsmann Stiftung, die sich als übergreifende Plattform, Impulsgeber und Wortführer für Lebensmittel-, Ernährungs- und Lebensstilthemen engagiert.
Wichtig wären auch gesellschaftliche Vorbilder, die es zu ihrem persönlichen Anliegen machen, die Öffentlichkeit über den Wert von Lebensmitteln aufzuklären und das Thema im Kontext eines nachhaltigen Lebensstils positiv einzubinden. Solche Testimonials brauchen wir in der Werbung! Selbst unter den zahlreichen TV-aktiven Starköchen hat bisher niemand diese Rolle glaubwürdig ausgefüllt.

Wir brauchen Testimonials als gesellschaftliche Vorbilder, die für Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich und für den positiven Wert von Lebensmitteln stehen.

Drei Empfehlungen, wie der Wert von Lebensmitteln ins öffentliche Bewusstsein dringt

1.    Die Lebensmittelwirtschaft braucht einen starken Verband mit PR- und Kommunikationkompetenz

Verbände sind gut und effizient, wenn sie nicht nur die Interessen der Mitglieder vertreten, sondern auch eine starke Schnittstelle zur Öffentlichkeit haben und Themen selbstbewusst auf die Agenda setzen bzw. aufgreifen. Der Markenverband, der Bundesverband Deutscher Banken oder auch der Verband der Automobilindustrie sind so positioniert. Der Handelsverband Deutschland, der sich ebenfalls mit Lebensmittelthemen befasst, beginnt sein Profil langsam in diese Richtung zu erweitern und sein PR-Profil zu schärfen.

Das Informations- und Kommunikationsbedürfnis der Menschen rund um Lebensmittel ist hoch. Die Kommunikation sollte nicht im Schwerpunkt bei kritischen Verbraucherschützern und Interessengruppen liegen, denn sie sind von Natur aus der Rolle als Kritiker und Mahner verpflichtet. Das ist auch gut so, sie brauchen aber einen Gegenpart auf Augenhöhe, der auf die öffentliche Wahrnehmung mit gleicher Professionalität Einfluss nimmt – aber positiv. Der Verband, vornehmlich wäre dies wohl eine Aufgabe des BLL, muss dabei ein strategisches, sprich vorausschauendes, Themen- und Kampagnenmanagement entwickeln, das die Reputation der Branche systematisch stärkt. Der Aufwand zum Aufbau der notwendigen PR-Kompetenz ist im übrigen gering.

2.    Die Lebensmittelwirtschaft braucht einen Think Tank als Agenda Setter und Impulsgeber

Gefordert ist ein Think Tank, der sich mit einem holistischen Ansatz für eine Bewusstseinsbildung der Bevölkerung im Lebensmittelbereich, für Wertschätzung und Respekt gegenüber Lebensmitteln einsetzt. Die Wertschöpfungskette gut zu erklären, wäre sein Thema. Auch mit Nachhaltigkeit, Konsumententrends, Aspekten eines gesunden Lebensstils und Innovationen im Ernährungsbereich müsste er sich befassen. Er wäre Plattform für eine starke Kommunikation der Ernährungswirtschaft mit allen Stakeholdern der Gesellschaft.

3.    Die Lebensmittelwirtschaft braucht eine große, unternehmensübergreifende Kampagne/Initiative, um spannend und nachhaltig den Wert von Lebensmitteln zu verdeutlichen

Impulsgeber für einen nachhaltigen Sinneswandel in der Gesellschaft zu mehr Respekt und Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln müsste eine vielschichtige Kampagne oder Initiative sein. Sie müsste langfristig angelegt sein, denn in unserer kurzlebigen Mediengesellschaft erlangen primär negative oder aktuelle Botschaften Aufmerksamkeit, während positive Themen einen langen Atem benötigen. Und sie müsste alle einbinden, auch kritische Stimmen. Sie müsste das Zusammenspiel der oben genannten Akteure beleuchten und in bestem Sinne (vielleicht noch anders als von Ministerin Aigner gemeint) zu Klarheit und Wahrheit beitragen.

Es müsste eine Kampagne sein, die auch einer Wegwerfmentalität Einhalt gebietet und die neue Standards setzt im Umgang mit Lebensmitteln. Sie müsste auch mit einem sinnstiftenden Marketing der Lebensmittelunternehmen verbunden sein. Und sie müsste in einen großen Wertedialog eingreifen, der nicht nur Unternehmen, sondern auch Verbraucher in die Verantwortung nimmt. Wie vorgeschlagen, braucht solch eine Kampagne nicht nur das Commitment und die Offenheit der Politik, sondern auch starke Testimonials, die selbst glaubwürdig für Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln stehen.

All das zusammen, die professionelle Kommunikations- und PR-Arbeit auf Verbandsebene, die Etablierung eines Think Tanks und eine langfristig angelegte übergreifende Kampagne, wäre ein klarer Beitrag für ein glaubwürdiges Reputationsprofil der Lebensmittelbranche.