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Hinweis: Eine neuere Version dieses Beitrags findet sich im Buch „Glaubwürdig kommunizieren“ von Wolfgang Griepentrog.

Die Welt ist im Wandel. Change- und Restrukturierungsprozesse gehören angesichts steter Globalisierung, verschärften Wettbewerbs und zunehmenden Kosten- und Profitabilitätsdrucks zum Alltag. Sie verlangen allen Beteiligten viel ab:

  • Das Management muss den Wandel gut erklären und begründen.
  • Mitarbeiter müssen Sinn und Anforderungen von Veränderungen verstehen. Sie müssen Flexibilität und Veränderungsbereitschaft beweisen.
  • Auch Kunden und andere externe Shareholder müssen veränderte Koordinaten des Unternehmens verstehen und mittragen.

Dabei kommt es naturgemäß zu gegenläufigen Interessen: die einen wollen am bisherigen Zustand festhalten, etwa weil ihr Arbeitsplatz davon abhängt, die anderen wollen einen noch schnelleren und umfassenderen Wandel.

In schwierigen Unternehmenssituationen zeigt es sich, wie stark die Kultur des Unternehmens ist. Wie groß ist das Vertrauen von Mitarbeitern und Stakeholdern in die Unternehmensführung? Wird die Neuausrichtung akzeptiert und nachhaltig unterstützt? Schon viel ist in diesem Zusammenhang über den Wert guter interner Kommunikation gesprochen und geschrieben worden. Dass Veränderungsprozesse durch eine besonders intensive, sensible und vor allem glaubwürdige Kommunikation begleitet werden müssen, bezweifelt niemand. In der Realität bleibt die begleitende Kommunikation in Veränderungsprozessen indessen oft weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück und trägt nicht dazu bei, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu fördern. Der Beitrag skizziert, welche Faktoren zum Erfolg führen.

Betrachten wir ein Beispiel, das sich in vergleichbarer Form tagtäglich in Unternehmen abspielt

Der neue CEO eines internationalen Konzerns kündigt zu Beginn seiner Tätigkeit einen tiefgreifenden Restrukturierungskurs an. Aus Effizienzgründen sollen Unternehmensbereiche zusammengelegt werden. Einige Pläne und Szenarien sind vor seinem Antritt bereits durchgesickert und so kursieren unterschiedliche Einschätzungen über die Folgen der Restrukturierung für das Unternehmen insgesamt und für die Mitarbeiter im Besonderen. Aber nicht nur die Mitarbeiter der betroffenen Unternehmensbereiche, auch Geschäftspartner, Öffentlichkeit und Kunden erwarten gespannt, die genauen Koordinaten des neuen Kurses zu erfahren. Sie wollen wissen, was die Neuausrichtung des Unternehmens konkret für ihre Arbeit bedeutet. Die Erwartungen – der Kommunikationsbedarf – sind hoch. Das Management hält sich jedoch mit Details bedeckt, weil es eine zu frühe Festlegung scheut und eine umfassende Diskussion im Unternehmen vermeiden möchte. In der Belegschaft machen sich Skepsis und Unruhe breit. Dazu tragen auch Botschaften bei, die positiv gemeint sind, aber eher irritieren, zum Beispiel: „Das Unternehmen muss Ballast abwerfen, effizienter werden und seine Profitabilität steigern. Es werde keine grundlegenden Änderungen geben, doch künftig würden Mitarbeiter strikt nach Leistung beurteilt.“ Weil der enge Dialog mit Mitarbeitern und anderen Stakeholdern sowie verbindliche Botschaften über die Ziele und den Nutzen der Restrukturierung ausbleiben, bröckelt deren Vertrauen. Man vermutet, dass andere (als die offiziellen) Absichten hinter der Restrukturierung stehen, etwa ein Verkauf des Unternehmens oder eine Zerschlagung (wofür das Unternehmen attraktiv gemacht werden soll). Zusätzliche Unruhe entsteht durch externe Unternehmensberater, die mit kühl distanziertem Auftreten die Struktur des Unternehmens auf den Prüfstand stellen und ein Konzept zur Effizienzsteigerung erarbeiten. Im Widerspruch zur Forderung des neuen CEO nach Kosteneffizienz und besserer Performance steht ein teurer Umbau seines Büros sowie ein neuer größerer Dienstwagen. Aus der Sicht von Mitarbeitern und Öffentlichkeit passt dieses Managementverhalten nicht zum ausgerufenen neuen Unternehmenskurs. So brodelt die Gerüchteküche immer stärker und beeinträchtigt die Konzentration des Unternehmens auf das operative Geschäft. Mitarbeiter, insbesondere die Top-Leistungsträger verlassen enttäuscht das Unternehmen, Know-how und Kundenwissen gehen damit verloren, und die Produktivität sinkt weiter.

Aus dieser kleinen (nicht unrealistischen) Geschichte kann man viel lernen:

Das Top-Management hat in Umbruchsituationen eine wichtige kommunikative Aufgabe, die es im Interessen von Glaubwürdigkeit und Vertrauen mit höchster Sensibilität und Aufmerksamkeit erfüllen muss. Sie ist nicht delegierbar. Das Management kann sich zwar professionell bei der Kommunikation unterstützen lassen, wichtig sind aber das persönliche Engagement und verbindliche, klare Signale und Botschaften zum neuen Kurs des Unternehmens. Dabei liegt es vor allem im Interesse des Managements, die Kommunikationshoheit über unternehmensrelevante Themen nicht zu verlieren, weil dies die Handlungsfähigkeit und den unternehmenspolitischen Gestaltungsspielraum einengen würde. Nur wer Ziel und Maßstäbe in Veränderungsprozesse gut und glaubwürdig kommunizieren und Mitarbeiter dafür begeistern kann, wird die Ziele nachhaltig erfolgreich umsetzen. Entscheidend ist es daher, frühzeitig einen engen, offenen, ehrlichen Dialog mit allen Stakeholdergruppen zu suchen und beizubehalten. Frühzeitig bedeutet in diesem Fall: vor dem Beginn des Change-Prozesses. Häufig wird nämlich der Fehler gemacht, dass Change-Kommunikation zu spät beginnt. Gegenstand dieses Dialogs ist es, die anstehenden Veränderungen im Unternehmen zu erklären und gut zu begründen. Hierbei müssen alle Fragen und möglichen Bedenken „aktiv angesprochen werden. Und Widersprüche zwischen Worten und Taten sollte das Management vermeiden. Der CEO ist nicht nur als Stratege, sondern als Leitbild und Vorbild gefordert, wenn er eine vertrauensvolle, glaubwürdige Unternehmenskultur pflegen möchten.

Werte und Professionalität fördern Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Change-Kommunikation

Das Glaubwürdigkeitsprinzip ist in solchen Umbruchsituationen Orientierungshilfe und Gradmesser für eine glaubwürdige und dadurch wirkungsvolle Kommunikation. Kommunikationsmanagement mit Prinzipien orientieren sich am Vorbild des Ehrbaren Kaufmanns.

  1. Ehrlichkeit: In Situationen des Wandels müssen sich Stakeholder auf das Management verlassen können. Ehrlichkeit ist oberstes Gebot. Dabei geht es vor allem darum, den richtigen Eindruck bzw. das richtige Gesamtbild von den Herausforderungen, Zielen und dem eingeschlagenen Veränderungsweg des Unternehmens zu zeichnen. Das Dementieren von bereits beschlossenen und geplanten Veränderungen, beispielsweise die Entlassung von Mitarbeitern, die Zusammenlegung oder Aufgabe von Unternehmensteilen, sollte vermieden werden, auch wenn dies einen (berechtigten) erhöhten Erklärungs- und Kommunikationsaufwand bedeutet. Zur Ehrlichkeit in der Change-Kommunikation gehört es, Beschlüsse frühzeitig zu vermitteln und das Unternehmen nicht über längere Zeit im Unklaren zu halten.
  2. Transparenz: Transparenz und Offenheit machen angreifbar. Kritiker finden Ansätze, um geplante Veränderungen zu hinterfragen und möglicherweise zu bremsen. Trotzdem erfordert der Respekt vor Mitarbeitern und anderen Stakeholdern als mündige Bürger, dass alle Beschlüsse und Vorgänge klar und nachvollziehbar dargestellt werden. Wer Ziele und Absichten gut erklären und begründen kann, muss Transparenz nicht scheuen. Er schafft anderen die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen, Veränderungen einschätzen und so mittragen zu können. Transparenz ist daher eine der zentralen Voraussetzungen für Vertrauen. Gerade weil Transparenz angreifbar macht, vermittelt transparentes Management im Change Handlungsstärke und Autorität.
  3. Authentizität: Auch sie ist eine Frage des Vertrauens. Ist das Verhalten des Management stimmig? Kann ich ihm Glauben schenken? Meint es das, was es sagt? Passen Botschaften und Signale zusammen? Authentizität macht berechenbar und trägt zur Orientierung bei. Siehe dazu den Blogbeitrag „Müssen Top-Manager authentisch sein?“
  4. Berechenbarkeit: Top-Manager stehen unter Erwartungsdruck. Sie müssen auch in Veränderungsprozessen viele unterschiedliche Erwartungen erfüllen. Veränderung und Kontinuität, neue effiziente Strukturen, die sich sofort und möglichst ohne hohen Restrukturierungsaufwand in barer Münze auszahlen. Dabei ist es wichtig, sich klar zu den eigenen Prioritäten zu bekennen. Berechenbar ist nicht der Manager, der es allen Stakeholdern recht macht, sondern der, dessen Kurs nachvollziehbar ist. Gerade für das Vertrauen der Mitarbeiter ist es wichtig, dass das Management durch intensive prozessbegleitende Kommunikation berechenbar wird.
  5. Souveränität: Wer in komplexen Unternehmensstrukturen den Wandel erreichen will, muss nicht nur den klaren Kurs vorgeben, sondern auch Kompromisse suchen – insbesondere wenn Mitarbeiter- und Shareholderinteressen konkurrieren. Das Top-Management ist nicht nur Stratege und Impulsgeber des Wandels, sondern auch Moderator. Dabei ist es wichtig, Kommunikation so zu steuern, dass die Eckpfeiler des Prozesse und der Agenda nicht verschoben werden. Souveränität bedeutet, Angreifbarkeit und Kritik auszuhalten und die Hoheit über die eigenen unternehmensrelevanten Themen als Moderator des Prozesses nicht zu verlieren.
  6. Fairness und Respekt: Diese beiden Aspekte sind die Grundelemente einer glaubwürdigen, vertrauensvollen Unternehmenskultur und im Wandel besonders wichtig. Respekt bedeutet, die Interessen und Ansichten anderer sowie ihre Würde ernst zu nehmen. Respektvolles Management bedeutet die Gestaltung lebendiger Unternehmensstrukturen. Wo Headcounts und Zahlen wichtiger sind als die optimale Steuerung von Mitarbeiterpotenzialen und Ressourcen, ist der Respekt vor der Würde der Mitarbeiter nicht spürbar. Diese Gefahr besteht vor allem bei großen, komplexen Unternehmensstrukturen. Spürbarer Respekt ist wichtig. Nur auf seiner Basis lassen sich Menschen für Veränderungen gewinnen.
  7. Verantwortungsbewusstsein: Es gibt viele unterschiedliche Verantwortlichkeiten im Unternehmen. Vor allem gibt es die gemeinsame Verantwortung von Management, Mitarbeitern und auch Shareholdern für den Erfolg des Unternehmens. Das muss Inhalt der Change-Kommunikation sein und sich auch in den Managemententscheidungen spürbar widerspiegeln. Dabei ist der Unternehmenserfolg nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich zu verstehen. Change-Kommunikation muss Verantwortungsbewusstsein im weitesten Sinne zum Ausdruck bringen, aber auch von allen Beteiligten einfordern.
  8. Sinn für das rechte Maß: Maßvolle, richtig dosierte Kommunikation ist ein weiterer Erfolgsfaktor für Glaubwürdigkeit im Change-Prozess. Übertriebene Erwartungen oder Einschätzungen der Unternehmenslage sind ebenso wenig förderlich wie eine Zuviel oder Zuwenig an persönlicher Kommunikation des CEO. Wenn sich der CEO beispielsweise zu intensiv um spezielle operative Einzelthemen kümmert (auf denen klassischerweise nicht sein Fokus liegt), macht ihn das als kompetenten Strategen eines Veränderungsprozesses möglicherweise unglaubwürdig.
  9. Mut: Mut ist eine der wichtigsten Eigenschaften erfolgreicher Manager. Mutige Entscheidungen beinhalten das Risiko eines Nachteils, etwa eines Imageverlustes oder eines zusätzlichen Kommunikationsaufwands. Aber Mut ist auch ein treibendes Element im Wandel, denn er bedeutet, ein Stück Sicherheit aufzugeben. Mut gehört zur Veränderungsbereitschaft und ist daher das wesentliche Signal im Veränderungsprozess. Mutige Kommunikation motiviert und dokumentiert Autorität.
  10. Professionalität: Glaubwürdige Change-Kommunikation erfordert eine besonders hohe Professionalität. Wichtig ist zum Beispiel, die jeweiligen Erwartungen bzw. den Kommunikationsbedarf der internen und externen Zielgruppen aufmerksam zu erfassen. Damit Change-Kommunikation wirkungsvoll ist, muss sie diesen Erwartungen Rechnung tragen. Das beinhaltet unter anderem eine exakte Themenplanung und Steuerung. Botschaften müssen wichtig und wesentlich sein und sie müssen rechtzeitig bzw. frühzeitig vermittelt werden. Informationen, die nicht substanziell zum Change-Prozess beitragen (oder gar in die Irre führen) sind ebenso zu vermeiden, wie eine Verzögerung. So führt es beispielsweise regelmäßig zu Kommunikationsgaus, wenn Mitarbeiter von der Auflösung ihres Unternehmensbereichs durch die Medien erfahren.
    Professionalität der Kommunikation bedeutet auch Systematik. So muss für Change-Prozesse ein eigenständiges Kommunikationsprogramm, besser noch eine Kommunikationskampagne aufgesetzt werden, um dem Informationsbedarf gerecht zu werden und alle Botschaften abgestimmt im Sinne eines integrierten Ansatzes steuern zu können.
    Professionalität der Change-Kommunikation bedeutet außerdem, ein Netzwerk an Multiplikatoren aufzubauen, die Botschaften aufgreifen und weitervermitteln, die aber auch umgekehrt, Stimmungen und Trends spüren und dem Management zurückspielen. Alle Multiplikatoren – übrigens auch externe Berater – sind in der Pflicht, sensibel und Vertrauen schaffend zur Kommunikation im Change-Prozess beizutragen. Weitere Aspekte ließen sich hier aufführen. Was bei der professionellen Steuerung von Kommunikation im Wandel zu berücksichtigen ist, hat Dario Schuler in seinem Beitrag „Der Ehrbare Kaufmann als Veränderungsmanager“ im Buch das Glaubwürdigkeitsprinzip (S. 136 ff) genauer ausgeführt.

Fazit

Jeder Aspekt des Glaubwürdigkeitsprinzips markiert für sich gesehen Anspruch eines glaubwürdigen, effizienten Managements. Durch die vielfältigen und divergierenden Einzelinteressen werden diese Anforderungen jedoch in schwierigen Umbruchsituationen von Managern nicht immer konsequent befolgt. Oft wird zu spät, unzureichend und ohne spürbare Werteorientierung kommuniziert. Das Vorbild des Ehrbaren Kaufmanns, in dem die wesentlichen Werte und Eigenschaften zusammentreffen, eignet sich als Richtschnur für glaubwürdige Kommunikation im Change-Prozess.